Höhe plus Breite mal Faktor

■ Galerie Beim Steinernen Kreuz wird 10 / Gespräch mit der Galeristin Brigitte Seinsoth

Galerie und Antiquariat Beim Steinernen Kreuz, eine der ersten Bremer Adressen für „junge“ Kunst, ist zehn Jahre alt. Anlaß für die Galeristin Brigitte Seinsoth, mit Ausstellungen und Literaturveranstaltungen zu feiern, Anlaß für die taz, sie zur Geschichte der Galerie, zur Künstlerförderung und zum Geschäft zu befragen.

taz: Wie kam es zu der Mischung von Antiquariat und Galerie?

Brigitte Seinsoth: Mein Mann (Udo Seinsoth / B.S.) und ich sich beide Sammler, sowohl von Büchern als auch von Kunst. Das Antiquariat entstand im Grunde daraus, daß wir in Büchern erstickten. Von Anfang an war der Schwerpunkt Literatur des 20sten Jahrhunderts und Sozialismus und mit Ausstellungen in den kleinen Räumen unten. Die Kunst kam über das illustrierte Buch dazu. Gleichzeitig damals wurde die GAK (Gesellschaft für aktuelle Kunst / B.S.) gegründet; Udo gehört zu den Gründungsmitgliedern mit Waller, Altenstein, Nievers. In Ergänzung zur Kunsthalle sollte die Moderne nach Bremen gebracht werden. Durch die GAK-Arbeit lernten wir die Situation der Bremer Künstler kennen und die Künstler selbst.

Mit welchen Künstlern fing die Galerie an?

Wir haben sehr schnell den Thomas Hartmann kennengelernt, den Hartmut Neumann. Der Uwe Kirsch kam her mit einer Mappe unterm Arm, ein klassischer Fall, das passiert heute nur noch selten. Wir waren spontan begeistert: „Gut, wir machen mit dir 'ne Ausstellung“. Er war sehr verblüfft, es war seine erste.

Wie entscheiden Sie, ob Kunst gut oder schlecht ist?

Es gibt objektive Kriterien: Ist es gut gemalt, ist eine Skulptur

hierhin bitte

die blonde Frau

gut durchgearbeitet, dazu muß die Arbeit bei mir ankommen. Das spürt man. In der Woche kommen drei vier Künstler hier an, oder Anrufe, Mappen. Wir sind als Anlaufadresse für junge Künstler bekannt. Wenn ich kann mache ich Ateliersbesuche.

Entscheiden Sie allein? Früher haben wir alles zusammen gemacht. Seit drei Jahren sind die Ausstellungsräume oben neu dazugekommen, das war eine wichtige Entscheidung. Unten konnten wir keine Künstler über längere Zeit binden, weil wir keine großen Arbeiten zeigen konnten. Es sind praktisch zwei Firmen geworden, die Galerie und das Antiquariat, mit getrennten Verantwortlichkeiten.

Wie kommt der Preis für ein Bild eines unbekannten jungen Künstlers zustande?

(sie stöhnt) Ganz schwierig... Ist man zu billig, sagen die Leute, das ist nix wert; ist man zu teuer, heißt es, das ist zuviel für einen unbekannten Künstler. Da ist einerseits die Arbeitszeit; aber die schnell gearbeiteten Bilder haben eine lange Vorgeschichte, diese

Zeit muß auch dazugerechnet werden. Bei Thomas und Hartmut ist das ganz einfach, die rechnen Höhe plus Breite mal einem Faktor. Schwontkowski sagt z.B., dieses Bild ist mir besonders wichtig, und darum muß das soviel kosten. Ich versuche möglichst, einen Konsens mit den Künstlern hinzukriegen. In der ersten Ausstellung eines jungen Künstlers wird sowieso fast nichts verkauft. Das ist eine Investition in die Zukunft. Eine Ausstellung kostet mich zwischen 2.000 und 3.000 Mark. Wichtig ist hier die Kontinuität: für Künstler und Sammler. Ich habe jetzt einen festen Künstlerstamm, das sind zwölf inzwischen, mit denen ist alle zwei bis drei Jahre eine Einzelausstellung abgesprochen.

Thema ABM-Kunst: Sind soziale Künstlerförderung oder ABM Tatsachen, die Bremer Künstler in ihrer Biografie lieber verschweigen sollten?

Es wird ja verschwiegen. Ich habe aber auch schon erlebt, daß man soziale Künstlerförderung als Auszeichnung in die Biografie aufnahm: das finde ich falsch. Als wenn das eine große Errungenschaft wäre. Besser ist schon ein Stipendium der Villa Massimo, und ein Ankauf der Stadt Bremen würde in der Biografie wesentlich besser aussehen. Im übrigen jammere ich überhaupt nicht darüber, wenn Künstler aus Bremen weggehen: Ich finde das richtig. Deshalb finde ich die Forderungen von Jürgen Waller richtig: Stipendien, Auslandsstipendien, Katalogzuschüsse. Wie kann ich ohne Katalog Künstler auswärtigen Galerien vorstellen?

Fragen: Burkhard Straßmann