Ein freiheitliches Programmbiotop

■ taz-Samstags-Kolummne — Radio Bremen-Chef: Ohne uns wäre die ARD ärmer

“Buten & Binnen“, da müssen sich Politiker — und nicht nur die — manchmal schwarz- oder rotärgern, ist aus dem Alltag der meisten Menschen hier nicht mehr wegzudenken. „Buten & Binnen“ ist zu einem kleinen Kapitel Fernsehfreiheit in Bremen geworden. Der arrogante Anspruch der Macher, das Provinzielle des Regionalen journalistisch zu überwinden, recht häufig gelingt er sogar. Wer „Buten & Binnen“ abschaffen will, legt die Axt an Radio Bremen.

Ohne ein eigenes unabhängiges Regionalprogramm gibt es einen gewichtigen Grund weniger für einen selbstständigen Bremer Sender. Ohne Radio Bremen gäbe es einen guten Grund weniger für das selbständige Bundesland Bremen. Das Berichtsgebiet Bremen sehe arm aus im Fernsehen, wenn in Hamburg oder Hannover entschieden würde, ob und wieviel aus Bremen und Bremerhaven in Rundfunk und Fernsehen berichtet wird. Zentrale Organisationen mögen manchmal schneller und effektiver arbeiten, schonender mit Menschen und deren Interessen und Gefühlen gehen sie nicht immer um. Föderalismus ist als Element der Freiheit auch ein Stück Gewaltenteilung in unserer Demokratie. Nur in einer pluralen Struktur kann der öffentlich rechtliche Rundfunk die kulturelle, wirtschaftliche und soziale Pluralität der Gesellschaft in den unterschiedlichen Ländern und Landschaften widerspiegeln.

Ab 1.Januar 1991 wird „Buten & Binnen“ fünf Minuten kürzer sein; das ist bedauerlich. Das ist aber unser Beitrag zur Harmonisierung des ARD-Vorabendpogramms. Weiter können wir nicht gehen. Daß wir von der Harmonisierung, insbesondere der Marktanpassung im Werbegeschäft über einen einheitlichen Preis und die nationale Buchung finanziell profitieren, soll nicht verschwiegen werden.

Dieser Erfolg auf der Einnahmeseite hat zusammen mit drastischen Sparmaßnahmen wesentlich dazu beigetragen, daß die Horror-Defizitzahlen einer nüchternen Betrachtung Platz gemacht haben. Die Wolken der Verwesung, die so manch einer über den Dächern von Radio Bremen hat aufsteigen lassen, sind verflogen. Die selbsternannten Nachlaßverwalter können einpacken.

Dennoch: zu einem Drittel lebt Radio Bremen nach wie vor von dem Geld anderer ARD-Anstalten. Der Finanzausgleich in der ARD macht es möglich. Ein kleines Pogrammbiotop wie Radio Bremen kann eben nicht genug selbst erwirtschaften, um finanziell unabhängig zu sein. Das ist der Preis des Föderalismus. Auch das Land Bremen ist abhängig vom Finanzausgleich der Länder. Sollen wir deshalb in Sack und Asche herumlaufen? In Bremen wird billigerer Hörfunk und Fernsehen produziert als in den großen, finanzstarken Anstalten. Für eine Mark der Gebührenzahler produzieren wir weit mehr Programm-Minuten als unsere Kollegen in Hamburg, Köln oder München. Und nicht wenige dort sind der Meinung, unser Programm schmückt nach wie vor die ARD. Adolf-Grimme und Prix Europe lassen grüßen.

Das Programmbiotop Radio Bremen hat eben ein besonderes Klima für Produzenten und Journalisten. Und ein freiheitliches! Wenn das blöde Geld nicht wäre, würden auch andere wieder offen darüber reden, daß die ARD ohne Radio Bremen Programme ein Stück ärmer und farbloser wäre, daß das Land Bremen ohne Radio Bremen arm aussehen würde, ist nur eine These von mir.

Daß „Buten & Binnen“ immer noch häufiger eingeschaltet wird in Bremen als die gute alte „Tagesschau“, das ist eine Tatsache. Rüdiger Hoffmann, Programmdirektor bei Radio Bremen