Die neuen Schilder lassen auf sich warten

■ In der Brandenburger Polizei weiß keiner, wo es langgehen soll/ Die Mordkommission fahndet nach einem neuen Polizeiaufbau/ Viele Mitarbeiter kündigen — die Gewerkschaft fordert mehr Lohn

Brandenburg Land. Wer derzeit im neuen Bundesland Brandenburg ein Polizeirevier aufsuchen will, muß lange suchen. Denn von den grauen Mauern ehemaliger Volkspolizeireviere ist das alte dunkelgrüne Blech mit dem silbernen Emblem der Volkspolizei verschwunden. Die neuen grasgrünen Schilder mit dem schlichten Wort Polizei sind aber noch nicht angebracht. Der Schildbürgerstreich hat einen ernsten Hintergrund: von den bisherigen Strukturen mußte sich der Polizeiapparat verabschieden, doch für das Alte gibt es (noch) keinen Ersatz.

Eine Handvoll Gewerkschafter brachte es kürzlich im Seminarraum des Kreiskriminalamtes in Oranienburg auf den Punkt. »Keiner weiß, für was er zuständig ist — jeder macht, was er will«, beschrieb ein Polizist aus Cottbus die Arbeitssituation auf seiner Dienststelle. Wie einmal in Brandenburgs Polizei die Zuständigkeiten verteilt sein könnten, hat sich Kriminalhauptkommissar Günter Fuhrmann aus Potsdam überlegt. Als die polizeiinterne Strukturkommission ihre Vorstellungen zur Diskussion stellte, war Fuhrmann in Brandenburgs 9.000 Mann starker Polizei einer von zwei Ordnungshütern, die Kritik an der Vorlage übten. Deshalb ist der Kommissar der Mordkommission jetzt selbst zum Mitglied der Polizeiplaner avanciert, die für den frischgebackenen Innenminister Alwin Ziel (SPD) einen Vorschlag für den künftigen Aufbau des Sicherheitsapparates austüfteln sollen. Danach soll Brandenburgs bisher zentral geführte Polizei in fünf Präsidien aufgeteilt und »ganz oben« ein Landeskriminalamt angesiedelt werden. So ist auch die Polizei des Partnerbundeslandes Nordrhein-Westfalen strukturiert.

Daß in Brandenburg wie in den anderen vier neuen Bundesländern den ehemaligen Volkspolizisten der Schuh noch an anderer Stelle drückt, ist nicht zu übersehen. Allein bei der Kriminalpolizei soll ein Viertel der Belegschaft gekündigt haben. Immerhin: Das mickrige Polizistengehalt soll schneller steigen als bisher »angedacht«, erklärte diese Woche Ziels Staatssekretär Werner Ruckriegel. Aber auch die Kollegen, die bleiben, bereiten Probleme: Ihnen fehlt die Erfahrung mit der jetzt geltenden bundesdeutschen Strafprozeßordnung.

Gerd Teuber, Leiter der Kripoabteilung in Teltow bei Potsdam, bemängelt, daß sich einfach keiner mit dem neuen Paragraphenwerk auskenne. Er hat sich gleich zwei Ausgaben der Strafprozeßordnung angeschafft. Eine liegt immer auf seinem Tisch. Die zweite Ausgabe trägt er immer bei sich — in seinem schwarzen Aktenkoffer. Aber welchen Respekt erntet schon ein Kripo-Mann der erst im Taschenbuch blättern muß, um den Absatz zu finden, der Ganoven das Anzünden fremder Leute Dachstühle verbietet? Teuber ist besonders davon enttäuscht, daß seit diesem Jahr noch nie ein Westkollege in Teltow vorbeigeguckt hat, um ihn und seine Kollegen auf das neue Recht vorzubereiten.

Aber die Hilfe naht: Wie aus dem nordrhein-westfälischen Innenministerium zu erfahren war, haben sich dort 600 Polizisten gemeldet, die für eine Zeit oder auch für immer in Brandenburg aushelfen wollen. Der dortige SPD-Innenminister Schnoor hat sogar Alfred Dietel, ehemaliger Inspekteur (Polizeipräsident) und seit drei Jahren pensioniert, ins 500 Kilometer entfernte Potsdam geschickt, um beim Aufbau zu helfen.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP), die bisher als einzige Arbeitnehmerorganisation Polizisten weiterbildete, fordert von der Landesregierung, daß die Ausbildung der Polizisten viel schneller vorangehen müsse. Endlich sollen die Personalfragebögen auf den Tisch, um zu klären, wer von den Kollegen bleiben dürfe und wer nicht. Wer schließlich ausgebildet sei, müsse dann auch besser bezahlt werden. Mindestens 60 Prozent des Westgehaltes soll ein Ostpolizist schon jetzt erhalten, fordert Brigitte Kuckuk, Mitglied des Brandenburger GdP-Landesvorstandes. Nur dann könne verhindert werden, daß »die besten von uns kündigen« und zu Versicherungen und windigen Wach- und Schließgesellschaften abwandern, meint die Kripo-Frau aus Oranienburg zur taz. Es mangelt an Fachbüchern, an Farbbändern, an Vordrucken, Papier, Gesetzestexten und vielem mehr. Kommissar Fuhrmann wünschte sich am vergangenen Wochenende auch, daß »aus sicherheitstechnischen Gründen die Trabis aus dem Verkehr gezogen werden«. Auf die Idee, wenigstens die alten Volkspolizei-Schilder wieder an den Dienststellen anzubringen — damit man weiß, daß es sie noch gibt, die Polizei —, kam allerdings keiner. Dirk Wildt