Kein Tornado mehr im Quartier

■ Hohe Umbaukosten zwangen die Kabarettisten zum Ausstieg/ Alle potentiellen Investoren abgesprungen/ Ab April kein Varieté mehr/ Wird das Quartier jetzt wieder zum reinen Rocktempel?

Berlin. Heute ist die letzte Gelegenheit: Noch einmal pressen sich bei der Disko im Quartier Latin die Nadeln in die Plattenrillen, dann stehen bis April die Tonabnehmer still. WestBam-LiebhaberInnen mußten sich schon letzten Sonnabend an gemäßigte Rock-Pop-Blues-Klänge gewöhnen, die harte Elektronikmusik hat erst einmal ausgedient.

Mit den Veränderungen, die das Quartier auf Gesellschafterebene gerade durchgemacht hat, haben die in den Wintermonaten ausbleibenden Diskoabende allerdings nur wenig zu tun — denn mit dieser Art der musikalischen Nachtgestaltung haben die just aus dem Projekt ausgestiegenen, »Drei Tornados“ sowieso nie was am Hut gehabt. Verantwortlich für das Varieté, waren die Tornados als Minderheitsgesellschafter (27 Prozent) in die Finanzierung des Quartiers aber sehr wohl involviert.

Problem: Statt der anvisierten 3,2 Millionen, so Quartier-Geschäftsführer Wolfgang Mertens, verschlingt der Umbau des Ladens stolze 5 Millionen Mark. Eine Nachfinanzierung mußte her — doch Tornado-Gesellschafter Holger Klotzbach hatte Pech: Nach und nach sprangen alle potentiellen Investoren wieder ab, den Tornados blieb nichts anderes übrig, als ihre Anteile der Kölner Rockgruppe BAP zu verkaufen, die somit alleiniger Gesellschafter ist.

Bedauerlich, findet Klotzbach. Denn jetzt wird das Quartier vermutlich wieder zu einem reinen Rock- und Diskoladen. Zwar läuft das Varietéprogramm (Premiere: 18.12.) noch bis zum 26. Januar, im Februar sind diverse Fernsehproduktionen geplant, und im März gehen im Quartier die »Moskauer Lichter« an, 18 Sänger, Clowns und Tänzer aus Moskau und Kiew präsentieren ihr Programm — aber auch nur deshalb, weil die bereits abgeschlossenen Verträge nicht mehr rückgängig gemacht werden konnten. Ab April ist mit Varieté endgültig Schluß. Der sonntägliche Tanztee war seit eh und je ein Zuschußgeschäft und lädt, falls nicht noch Sponsoren aufzutreiben sind, morgen das letzte Mal zum Schwofen ein. Vorbei ist es auch mit »dem schwulen Film im Quartier“, statt dessen werden Interessierte jetzt jeden zweiten Sonntag um 11 Uhr mit Frühstückskino geweckt.

Und was wird aus dem »blauen Montag«, der von den Tornados betreuten und von Newcomern oder alteingesessenen KünstlerInnen gestalteten Mischung aus Akrobatik, Gesang und Kabarett? Laut Mertens soll er ein fester Bestandteil des Quartiers bleiben. Doch die Tornados wollen sich nicht als einsamer Fels einem Meer von Rockmusik entgegenstellen, ohne feste Bühnenarbeiter und -meister ist jedenfalls der Montag ab Ende Januar nicht mehr blau. Trotzdem hat Klotzbach die Hoffnung noch nicht aufgegeben: Sollte er doch noch Investoren finden, will er ab Ende Januar die Tornado-Anteile wieder zurückkaufen. maz