Die neue Liebe zwischen Momper und Diepgen

In Berlin laufen die Koalitionsverhandlungen auf Hochtouren — scheinbar ohne größere Probleme  ■ Von Kordula Doerfler

Berlin (taz) — Es schien, als habe Walter Momper Kreide gefressen: In großer Übereinstimmung präsentierte sich das SPD-CDU-Spitzenduo, besetzt mit dem noch Regierenden Bürgermeister Walter Momper und seinem Nachfolger Eberhard Diepgen, am Donnerstag abend zum ersten Mal gemeinsam der staunenden Berliner Presse. Die beiden, die sich bisher möglichst aus dem Weg gingen, glauben, aufgrund des Wahlergebnisses miteinander gehen zu müssen und haben damit zumindest nach außen weniger Probleme als allgemein vermutet. Die Rolle als Wahlverlierer und Juniorpartner macht Walter Momper zwar schwer zu schaffen, aber entgegen dem Trend in der letzten Woche, als sich ein Rückzug auf das Amt des Landesvorsitzenden abzeichnete, scheint er jetzt doch wieder ein wenig Morgenluft zu schnuppern. Man könnte vielleicht doch Senator oder Fraktionschef...

Eine Woche nach dem SPD- Sonderparteitag scheint vor allem einer recht zu behalten: Harry Ristock, Altväterchen der Linken in der Berliner SPD, warnte nahezu als einziger vor einer großen Koalition, deren Filz sich wie Mehltau über die politische Kultur in der Stadt legen werde. Der Mehltau beginnt bereits zu gedeihen. In aller Eile wurden zehn Koalitionsarbeitsgruppen gebildet, die in den letzten zwei Tagen ihre Arbeit aufgenommen haben. Einzelne haben schon wieder Unterarbeitsgruppen gebildet, so daß die Verhandlungen wie eine Krake durchs Schöneberger Rathaus wuchern. Über die Sitzungen ist wenig zu erfahren — außer, daß sie offenbar in überraschender Harmonie verlaufen. Zwar werde es im Detail noch knirschen, so ist zu hören, vorherrschend ist aber der Wille, in diesen schweren Zeiten zusammenzuhalten. Die Angst ums Geld — Bonn hat trotz des Regierungswechsels in Berlin angekündigt, die Finanzspritzen für Berlin bald kräftig zu kürzen — schweißt zusammen, was nicht zusammengehört. Sechs Milliarden Mark Bundeshilfe zusätzlich wollen die Berliner jetzt in Bonn für den Ostberliner Haushalt fordern, sonst steht die Stadt vor dem Bankrott. Der Bundeskanzler indes hat es offenbar nicht eilig. Zwar droht Momper noch, solange es keine verbindlichen Eckwerte aus Bonn gebe, hingen Koalitionsvereinbarungen in der Luft. Ernsthaft rechnet jedoch niemand damit, daß die Elefantenhochzeit nicht gefeiert wird — auch wenn es nicht die ganz große Liebe ist. Von Aufbruchstimmung ist in der Stadt nichts zu spüren, aber die wollte die Mehrzahl der Berliner auch nicht. Wichtiger sind ihnen Ruhe, Ordnung und die Aufhebung der ungeliebten Busspuren.