Zum Frieden ist es in Angola noch weit

Angola will seinen Bürgerkrieg beenden, doch das gegenseitige Mißtrauen sitzt tief/ Kriegsschäden haben das Land zerstört  ■ Aus Luanda Willi Germund

„Bei den Verhandlungen über Hilfslieferungen in Notstandsgebiete kommen von beiden Seiten die gleichen Reaktionen“, klagt ein ausländischer Experte, der in Angola mit der Regierung von Präsident José Eduardo dos Santos zu verhandeln hat. Es ist die Sprache des gegenseitigen Mißtrauens. Wann immer Nahrungsmittel auf dem Landweg zu Kriegsopfern gebracht werden sollen, hagelt es von beiden Seiten Verdächtigungen. Luanda behauptet, die rechtsgerichtete UNITA würde eine Lieferung für sich ausnutzen, die Truppe von Jonas Savimbi kommt mit den gleichen Vorwürfen.

Seit 15 Jahren tobt in Angola der Konflikt, und über eine halbe Million Menschen starben; beide Seiten treffen sich regelmäßig in Portugal zu Verhandlungen. Jetzt gibt es Hoffnung, daß im Januar ein Waffenstillstand zustande kommen könnte. Der Grund: die US-unterstützte UNITA verzichtete auf die Forderung, vor jeder Regelung anerkannt zu werden. Zudem diskutierten US-Außenminister Baker und sein sowjetischer Kollege Schewardnadze am 12.Dezember die Angola-Frage. Erstmals traf auch der UNITA-Chef Jonas Savimbi in den USA mit dem sowjetischen Außenminister zusammen.

„Der Einfluß der Supermächte verhindert eine Einigung“, warnt jedoch Luandas Methodisten-Bischof de Carvalho vor dem Glauben, einige Unterschriften könnten den Krieg beenden. „Wir müssen die Wunden heilen.“ Trotzdem glaubt er auch nach 15jährigem Krieg an Versöhnung: „In Afrika folgen wir den Chefs. Wenn die sagen, legt die Waffen nieder, dann passiert das auch.“ Er stellt sich eine friedliche Lösung so vor: Als erstes eine Feuerpause und dann eine Verschmelzung der beiden Armeen. In frühestens zwei, spätestens drei Jahren sollen Wahlen folgen. Eine Waffenstillstandsvereinbarung gab es schon im letzten Jahr. Sie erwies sich als nutzlos.

Die UNITA hat in jüngster Zeit ihre Aktionen im Norden Angolas verstärkt. Staatspräsident José Eduardo dos Santos: „Wir müssen unsere Verteidigung besser organisieren. Wir können nicht erlauben, daß die UNITA lebenswichtige Installationen angreift und gleichzeitig von Demokratie redet.“ Dos Santos strebt ein Mehrparteiensystem an, hat jedoch Schwierigkeiten mit den eigenen Leuten. Zwar kippte er Verteidigungsminister Pedale beim letzten Parteitag der MPLA aus dem Zentralkomitee, aber die „Dinosaurier“ genannten Reformgegner in der MPLA wehren sich mit allen Kräften. Dos Santos kann jedoch auf den größten Teil des Offizierskorps setzen. „Vor allem die jungen Offiziere wollen den Krieg beenden“, glaubt ein ehemaliges MPLA- Mitglied, das heute zu einer verbotenen aber geduldeten Oppositionsgruppe gehört.

Dos Santos steht vor einer schwierigen Aufgabe. Die UdSSR schränkt ihre Unterstützung ein, Kuba zieht bis Mitte kommenden Jahres die letzten 12.000 Soldaten sowie alle Ärzte und Lehrer ab. Die UNITA aber empfängt nicht nur weiter Hilfe aus den USA. Seit etwa eineinhalb Jahren werden ihre Einheiten durch Soldaten aus dem Nachbarland Zaire verstärkt — als Ausgleich für die weggefallene Hilfe aus Südafrika.

Auch mit der Wirtschaft sieht es düster aus. Bis zu 60 Prozent des Deviseneinkommens wird von Angola für die Finanzierung der Armee, die 120.000 bis 180.000 Mann stark sein soll, aufgewendet. Seit 1985 ist die frühere portugiesische Kolonie auf internationale Nothilfe angewiesen. Eine Dürre während der letzten Jahre ließ die Ernte in sich zusammenfallen. In diesem Jahr betrug Angolas Getreideernte nur noch ein Drittel der Menge des Jahres 1987. In der Benguela-Provinz wurden 1987 7.500 Tonnen Mais geerntet, im letzten Jahr waren es noch ganze 114 Tonnen.

Die Bilanz nach 15 Jahren Krieg sieht nach einem Bericht der Vereinten Nationen so aus: Ein Viertel aller Grundschulen und 75 Prozent aller Wasserversorgungssysteme in Kleinstädten sind zerstört; 80 Prozent aller Wasserbrunnen in vier Provinzen funktionieren nicht mehr. Die durchschnittliche Lebenserwartung in Angola: 45 Jahre. Jedes dritte Kind stirbt vor Vollendung des fünften Lebensjahrs.