Dieser Welt ist nur mit der Komödie beizukommen

■ Friedrich Dürrenmatt ist im Alter von 69 Jahren gestorben/ Sein letztes Buch sollte von Midas handeln NACHRUF

„Mein erstes Stück verursachte einen Skandal. Von diesem glücklichen Start lebe ich noch heute: Die Zuschauer pfiffen, statt zu gähnen. Ich schrieb Kriminalromane, Kabaretts, Hörspiele, Theaterstücke, und weil man mich meistens falsch verstand, wurde ich berühmt.“ So faßte Dürrenmatt 1969 sein Leben als Schriftsteller zusammen. Tatsächlich brachte er sein Publikum vor allem zum Lachen. Der heutigen Welt sei nur noch mit der Komödie beizukommen. Wie der Diogenes-Verlag gestern mitteilte, ist Dürrenmatt am Donnerstag in seinem Haus in Neuernburg gestorben.

Zu einem Schulbuchklassiker war Dürrenmatt schon zu Lebzeiten geworden. Stücke wie Der Besuch der alten Dame oder Die Physiker wurden überall auf der Welt gespielt. Die „Alte Dame“ wurde mit Ingrid Bergmann verfilmt, Heinz Rühmann und Gert Froebe spielten in Dürrenmatts Krimi Es geschah am hellichten Tag.

Geboren wurde Dürrenmatt am 5.Januar 1921 als Sohn eines Pfarrers im Emmentaler Dorf Konolfingen bei Bern. Sein Studium der Theologie, Philosophie, Literatur und Kunstgeschichte brach er ab. „Ich gab vor, Maler zu werden. Es wäre abenteuerlich gewesen, die Schriftstellerei als mein Ziel anzugeben.“ 1947 wurde er mit dem Drama Es steht geschrieben bekannt.

Ebenso wie Max Frisch hatte Dürrenmatt seine größten Erfolge bis etwa 1965. Der Chefredakteur der Zürcher 'Weltwoche‘, Juerg Ramspeck, erklärte das mit einer literarischen Marktlücke nach dem Krieg: Die deutschen Autoren schwiegen oder klopften sich an die Brust, und deshalb war „die Schweiz in der Lage, als Kleinstaat eine große Kultursprache allein zu repräsentieren“.

Dürrenmatt war bis zuletzt als Schriftsteller und Maler aktiv. Und bis zuletzt hat er es geschafft, in seinem Heimatland anzuecken. Noch vor drei Wochen — bei einer Laudatio auf Vaclav Havel — geißelte er die Schweiz als ein Gefängnis, „wohinein sich die Schweizer geflüchtet haben. [...] Es gibt nur eine Schwierigkeit für dieses Gefängnis, nämlich die, zu beweisen, daß es kein Gefängnis ist, sondern ein Hort der Freiheit“ (s. auch S. 10).

Als nächstes Projekt hatte Dürrenmatt eine Art Spiel mit dem Titel Midas geplant, das auf einem Drehbuchvorhaben basierte. Auch dies scheint eine Parabel auf die Schweiz: Midas war in der Sage fast verhungert, weil alles, was er berührte, zu Gold verwandelt wurde. Gerade herausgekommen ist bei Diogenes die neue Fassung des Bands Über Dürrenmatt, der zu seinem 70. Geburtstag im Januar überarbeitet worden ist. R.Loschap/ap