ANC auf der Suche nach Profil

Auf der ANC-Konferenz in Johannesburg fordert Tambo eine „Überprüfung“ der Sanktionen gegen Südafrika/ Mandela kritisiert Regierung und warnt vor „Kampagne konterrevolutionärer Gewalt“  ■ Aus Johannesburg Hans Brandt

ANC-Präsident Oliver Tambo hat am Freitag in Johannesburg zu einer Neueinschätzung der gegen Südfrika verhängten Sanktionsmaßnahmen aufgerufen. In seiner Rede zur Eröffnung der als „historischen Sieg“ bezeichneten ersten nationalen Konferenz des ANC seit der Legalisierung im Februar nannte Tambo die Sanktionskampagne gegen die Apartheidregierung einen „nicht zu unterschätzenden Sieg“. Der ANC müsse jedoch „die Ratsamkeit der Aufrechterhaltung von Sanktionen“ vor dem Hintergrund „neuer Entwicklungen in diesem Land und im Ausland“ neu einschätzen.

Tambo, der erst am Donnerstag nach 30 Jahren aus dem Exil zurückgekehrt war, sprach zum ersten Mal in Südafrika. Doch seine Rede war zum Teil schwer zu verstehen, nachdem ein Schlaganfall im Juli letzten Jahres ihn zum Teil gelähmt hatte. „Heute wird die Würde des schwarzen Mannes und die Würde unseres Landes wiederhergestellt“, sagte er und sprach von einer „Zeit der Hoffnung“. Doch unter lautem Beifall warnte er auch: „Apartheid ist nach wie vor fest etabliert.“

Tambo bestätigte die Absicht des ANC zu friedlichen Verhandlungen mit der Regierung von Präsident Frederick de Klerk. Doch er warf der Regierung vor, bisher mit dem ANC erzielte Abkommen nicht eingehalten zu haben. Die Leistungen der Regierung seien „bei weitem nicht zufriedenstellend“, sagte Tambo.

Auch Nelson Mandela, ANC-Vizepräsident, kritisierte die Regierung scharf und warf ihr absichtliche Verzögerungen des Friedensprozesses vor. „Unsere Entschlossenheit, den Prozeß so schnell wie möglich voranzutreiben, wird nicht von der Regierung geteilt“, sagte Mandela. Doch die schärfste Kritik äußerte er zum Thema der Gewaltausbrüche, die in den letzten Monaten mehr als 1.000 Menschenleben gefordert haben. Zwar spielten politische Rivalitäten bei der Gewalt eine Rolle — ein Hinweis auf die Kämpfe zwischen ANC-Anhängern und Unterstützern der Inkatha. „Aber all das ist Teil einer gezielten Kampagne konterrevolutionärer Gewalt, die gegen den ANC gerichtet ist“, sagte Mandela, Regierungsmitglieder verbreiteten absichtlich Lügen über den Inhalt von Verhandlungen mit dem ANC.

Die Stimmung unter den mehr als 1.600 Delegierten aus Südafrika und dem Exil war nicht euphorisch sondern eher nüchtern. Der ANC hat in den letzten Monaten die Initiative im Verhandlungspoker an die Regierung abgeben müssen. Er erhofft sich von der Konferenz neue Impulse, um den Ablauf der Verhandlungen wieder bestimmen zu können.