Mach' mir den Comic!

■ “Lockvögel“-Premiere am Freitag im Freiraumtheater

Das Leben ist eine kalte, leere Cola-Dose. Oder, in Anlehnung an Andy Warhol: Das Bild von einer Cola-Dose. Alles was echt ist, hat einen bitteren Beigeschmack, aber wir wollen ja den reinen, rückstandslosen Spaß. Und der liegt im Klischee. Denn die Wirklichkeit ist schmutzig, hinterläßt Erinnerungen, Gefühle, Unordnung.

Im Freiraum-Theater hatte am Freitag das Stück „Lockvögel“ der Gruppe Lubrikat, ein Zusammenschluß von SchauspielerInnen in Bremen, Premiere. Ein Theaterstück nach Texten und Bildern von Elfriede Jelinek, Andy Warhol, Roy Lichtenstein. Die beiden DarstellerInnen, Silvia Kesselheim (Pina Bausch- Tänzerin) und Armin Dallapiccola, freischaffender Schauspieler, quälten die ZuschauerInnen eine Stunde zwischen einer Kulisse von sechzehn blauen Quadraten mit ihrer Suche nach Satisfaktion. Und die ist immer schon vorbei, bevor sie angefangen hat.

„Wollen wir jetzt etwas trinken? „ „Oh ja, laß uns etwas trinken.“ „Was wollen wir denn trinken?“ „Weiß ich nicht.“ „Komm, jetzt laß uns doch 'was Schönes trinken, ja?“ „Au ja, was denn?“ „Weiß ich nicht.“ Sie in Leopardenkittel, grünen Strümpfen und gefährlich roten Warhol-Pumps ist ein Zwitter aus Vamp und Putzfrau, er in Blümchenhose, Lackschuhen und rostrotem Rolli - ein Möchtegern-Tausendsassa. Was er trinken will, weiß er nicht, denn es wirklich zu tun, ist langweilig. Allein die Vorstellung — genau wie beim Vögeln.

Lust muß her. Der Unterhosenkauf gerät zum heißen Flirt. Umtauschen geht nicht. Die Vorstellung, es gibt kein Zurück, macht die Unterhosen irre attraktiv. Unterhosen als Medium. Das Thema ist wurscht, Hauptsache, die Partner beherrschen die Spielregeln. „Ist es nicht schön hier?“ „Guck mal da, ist das nicht reizend?“ „Guck mal da, ist die aber klein!“ Ob Lustmördergeschichte, Herztransplantation oder der Fötus in der Friseuse, Lust ist die Lust der VoyeurInnen. Themen sind austauschbar, Reaktionen berechenbar, Lächeln maskenhaft, Bewegungen starr. Die Akteure mutieren zu Miss Piggy und Kermit.

Was machen die da überhaupt, fragt sich die Zuschauerin, der es nicht gelingen will, eine Beziehung zu den Beziehungslosen auf der Bühne herzustellen. Sie spielen, reden, tanzen wie unter einer Glasglocke. Da laufen zwei herum und begegnen sich nicht, reden und verstehen sich nicht, spielen und brauchen sich nicht. Entzückensschreie, geifernde Neugier und plötzlicher Zorn sind hohl wie die Dose. Dabei glauben die beiden tragischen Menschenkinder an den Sinn dessen, was sie da inszenieren.

Wir sind längst zum Nuckel-Kind regrediert. Wie im Video-Clip brauchen moderne Narzisse für ihre banalen Befriedigungen nicht einmal mehr Sprache, sondern nur noch Bilder. Dallas, Jerry Cotton, Comic und Bild- Zeitungs-Thrill — unentrinnbar. In Ermangelung echten Amusements gerät der staksige Klamauk im Kopf der Zuschauerin zum Brechtschen Lehrstück. Beate Ramm