Mit Phantasie gegen die Kriegsgefahr

■ Friedliche Demonstration durch die Bremer Innenstadt / Pastor Albertz kritisiert Bremer Politik

Keine Latsch-Demonstration, sondern eine, die engagiert vorbereitet war: 1.500 BremerInnen, manche schätzten sogar über 2.000, zogen am Samstag zu Fuß, mit Fahrrädern und Kinderwagen durch die rappelvolle Innenstadt und versuchten, zur besten Geschäftszeit die tütenbepackten WeihnachtseinkäuferInnen zu überzeugen: gegen die Vorbereitungen für einen Krieg am Persischen Golf und für Asyl für desertierende US-amerikanische Soldaten.

Pastor Heinrich Albertz hatte im Steintor die Auftaktrede gehalten. Er kritisierte vor allem, daß sich Bremer Politik derzeit mehr um die weiß schraffierten Flächen auf innerstädtischen Fahrbahnen kümmert als um Friedenspolitik. Während Albertz unentschlossene EinkäuferInnen damit zum Mitgehen animierte, legten Verkehrsinitiativen mit demonstrativen Zehn- Minuten-Blockaden die Erdbeerbrücke lahm.

Fast drei Stunden lang zog sich der Lindwurm mit demonstrierenden Grünen, Friedensinitiativen, Ausländer-und Antifa- Gruppen durch die Stadt, bis Ludwig Baumann (Deserteur im 2. Weltkrieg) und ein Vertreter der Intifada (der für ihre Unabhängigkeit kämpfenden Palästinenser) die Abschlußreden am Hauptbahnhof hielten. Baumann, der sein eigenes Desertions- Schicksal in Frankreich erzählte, betonte: „Auch damals wollten wir leben und nicht andere Menschen umbringen. Aber Soldaten sind immer dazu mißbraucht worden und werden immer dazu mißbraucht, ihr Land, das fremde Land und auch sich selbst zu zerstören.“

Bewegt wandte sich eine alte Frau bei diesen Worten an ihren Nachbarn: „Damals wollten viele desertieren. Aber niemand wollte sie aufnehmen, auch meinen Mann nicht. Er ist in Rußland umgekommen.“ Dazu der Nachbar: „Er ist gefallen?“ — „Nein, mit Fallen hatte das nichts zu tun: Er wurde erschossen.“

Frauen von kirchlichen Friedensinitiativen debattieren daraufhin, wie sie desertierenden GIs helfen werden. Was sie noch nicht wußten: Daß gegen Martin Thomas, den Bürgerschaftsabgeordneten der Grünen, der desertierenden US-Soldaten Unterschlupf organisieren will, ein Bürger Strafanzeige gestellt hat. Thomas, der dies am Samstag aus der Presse erfahren hat, sieht in seinem politischen Bekenntnis zur Hilfe jedoch keinen Straftatbestand. Ihm ist auch noch nicht bekannt, ob der Staatsanwalt die Ermittlungen aufgenommen und die Aufhebung seiner Immunität beantragt hat. Er will die letztlich juristische Streitfrage jetzt in die politische Diskussion bringen. Hinter der Anzeige sieht er als politische Motivation den Vorwurf der „Wehrkraftzersetzung“.

Es gab nicht nur die bekannten Parolen wie “Bei jeder Schweinerei / ist die BRD dabei“ oder Krieg dem Krieg an jedem Ort“. Wenige Flugblätter, aber viele, vor allem privat gemalte, Plakate drängten: “Kein Blut für ÖL“, „Kein Krieg am Golf“, „Auch in der Wüste könnt ihr ins Gras beißen“.

Mit schwarzen Kutten und langen Stöcken, so wie im Mittelalter die Frauen durch das „Pestklopfen“ vor der Seuche gewarnt haben, bildeten die Bremer Mahnwache- Frauen und die Frauen gegen Apartheid einen Demo-Block und klopften schweigend mit den Stöcken gegen die Kriegsgefahr am Golf.

Die Theatergruppe Blaumeier- Atelier war gruseliger Blickfang: eine große Gruppe in Tarnfarben- Kampfanzügen und mit weißlichen, qualligen Masken, mit „Victory“-Rufen angefeuert von einem schweinchenrosagesichtigen Kriegstreiber, aus einem fahrenden 2CV heraus.

Am Zuschauer-Rand standen nicht nicht nur die Päckchen-Träger und Geschenke-Sucher, die sauer waren über den zusätzlich Verkehrsstau. Viele verfolgten den Zug sehr aufmerksam. Eine ältere Bremerin, die wegen der Demo lange vergeblich auf die Bahn warteten mußte, fand: „Find ich richtig, daß die jungen Leute das machen. Krieg ist furchtbar.“

sp/ra