Ach, diese Schenkerei...

■ Streß: Die alljährliche Geschenktortur hat schon manchen verzweifelt/ Nicht aber Eva Schweitzer

Alle Jahre wieder steht die gutbürgerliche Durchschnittslinke mit zerrauften Haaren in einem überlaufenen Kaufhaus und fragt sich verzweifelt: Was schenke ich meinen Liebsten? So was passiert mir nicht, denn ich denke schon das ganze Jahr darüber nach, womit ich Eltern, Geschwister und den langjährigen Lebensgefährten eindecke — und die langjährigen Lebensgefährten der Geschwister, deren Eltern und deren sonstige Kinder und so weiter und so fort, die alle bei meinen Eltern am Heiligabend auf dem teuren Biedermeiersofa herumlümmeln.

Wer mit offenen Augen durch die Stadt geht, findet das ganze Jahr über Geschenke. Wußten Sie, daß es winzige Dinosaurier gibt, die sich, ins Wasser gelegt, um 600 Prozent vergrößern? Oder Kaffeetassen mit Elefantenrüsseln als Henkel? Taschenrechner, die aussehen wie gefaltete Hundertmarkscheine? Telefone in der Form von Cheeseburgern? Vampire aus Gummibärchenmasse? Plastikhände mit Batterie, die die Finger bewegen? Elektrische Eiskratzer fürs Autofenster?

Gar nicht einfach sind Eltern zu beschenken. Meine zum Beispiel haben einfach alles: einen elektrischen Dosenöffner, einen elektrischen Handstaubsauger, eine Cappuccinomaschine, einen elektrischen Eierkocher, ein elektrisches Plastikfolienschweißgerät, einen Zweitkühlschrank, eine elektrische Saftpresse, eine Mikrowelle, einen elektrischen Mülleimerdeckelöffner, eine elektrische Kartoffelschälmaschine und einen elektrischen Eiskratzer fürs Autofenster. »Was willst du denn zu Weihnachten, Mama?« »Gar nichts, Kind, Hauptsache, du bist gesund und kommst nach Hause!« »Aber Mama, du mußt dir doch etwas wünschen!« Nach einer Viertelstunde überflüssigen Hin und Hers kommt heraus, daß Mama sich wünscht, ich solle ihr eine Tischdecke häkeln oder etwas vergleichbar Aufwendiges.

Dazu habe ich natürlich keine Zeit. Sie bekommt also ein Bierglas mit einem Bild von Johann Sebastian Bach darauf; meine Mama ist nämlich Musiklehrerin und trinkt gerne Bier. Mein kleiner Bruder, der Flugzeugingenieur, kriegt eine Lampe, die aussieht wie ein Flugzeug, meine Schwester den Riesenschokoladennikolaus, den ich mir als Kind immer gewünscht habe. Und mein Vater ein Buch — ach, übrigens, wer hat denn den 'Spiegel‘ mit der Bestsellerliste verlegt? Ist Gorbatschow noch angesagt? Mein großer Bruder bekommt die Freiheitsstatue zum Ausschneiden und Zusammenkleben, wenn auch nicht in Originalgröße.

Viel einfacher zu beschenken ist der Lebensgefährte. Wie wäre es mit einer Großpackung Geschirrspülmittel im rosa Tragekarton? Einer Sammlung Putzlappen und Schwämmchen? Einer elektrischen Kartoffelschälmaschine? Einem elektrischer Dosenöffner? Einer Cappuccinomaschine? Einem kleinen elektrischen Dackel, der durch die Wohnung läuft und alles aufräumt, was auf dem Boden liegt, und den noch putzt? — Was er sich denn wünschen würde? »Einen elektrischen Eiskratzer fürs Autofenster«, kommt die Antwort.

Auch in den Zimmern und Fluren dieser Zeitung macht man sich Gedanken. »King Kong als Salzstreuer und das Empire State Building als Pfefferstreuer« schenkt ein Lokalredakteur seiner Freundin. Von seiner Mutter bekäme er einen Katalysator fürs Auto, aber erst nächstes Jahr, dieses Jahr seien Bremsen dran.

»Wo gibt es die Freiheitsstatue zum Ausschneiden?« will eine andere Redakteurin wissen. Sie habe ein Brandenburger Tor zum Ausschneiden gesehen. Ein Stück Mauer zum Ausschneiden wäre wohl noch ein größerer kommerzieller Erfolg. Mauersteine seien zwar preiswert, aber out.

Sehr schenklustig ist die ganze Belegschaft nicht. »Frag doch mal, was ich mir schenken lasse!« findet die Lokalfeuilletonistin unter großem Beifall der Belegschaft die erlösenden Worte.