Häuptlinge in Schalkes Jagdgründen

■ Starke Präsidenten fürchten starke Trainer, aber Schalkes Eichberg will trotzdem Düsseldorfs Ristic In der zweiten Liga erlebten die Zuschauer ein mittelmäßiges Spiel beim 1:1 gegen Blau-Weiß Berlin

Gelsenkirchen (taz) — Im Alter von neun Jahren, als die Schulkameraden Günther Siebert noch nicht „Oskar“, sondern „Puck“ nannten, hatte er nach eigenen Angaben schon eine Indianerbande von dreißig Mann unter sich. Diese Führungsrolle gefiel dem kleinen Günther offensichtlich so gut, daß er fortan immer den großen Häuptling spielen wollte.

Siebert wählte für sein normal außergewöhnliches Ansinnen die Jagdgründe von Schalke 04. Zuerst als Fußballspieler, später in der Funktion des Präsidenten konnte „Oskar“ sich seinen Traum erfüllen. Im Jahre 1988 floh Oskar nicht ganz freiwillig auf „seine Insel“, Gran Canaria. Zahlreiche vereinsinterne Querelen trieben den populären Populisten Oskar „ins Exil“.

Sein Wigwam heißt heute nicht mehr Schalke, sondern „Oskars Pub“. Schalker Fans, die sich nicht selten auf der sonnigen Insel von der Maloche erholen, lauschen gerne Oskars Geschichten von „der guten alten Zeit auf Schalke“. Doch am Donnerstag, zum 60. Geburtstag des Ober-Schalkers, kam Häuptling Oskar hoher Besuch in die Wirtschaft. Angesagt hat sich der neue „König von Schalke“, Günther Eichberg, seines Zeichens millionenschwerer Klinikbesitzer und deswegen wohl auch Schalkes Präsident.

Grundverschiedener können wohl „Schalker“ nicht sein. Während Oskar in seiner Jugend alliierten Soldaten die Schuhe putzte („Shoes to shine, something to clean?“), später sich dann in Gelsenkirchen als Bierkutscher über Wasser hielt, ist der Düsseldorfer Eichberg der Inbegriff des Yuppies überhaupt.

Und trotzdem konnte selbst ein Mann wie Eichberg Oskars sehnlichsten Geburtstagswunsch (noch) nicht erfüllen — den Wiederaufstieg Schalkes in die erste Bundesliga. Daß aber für Geld fast alles zu kriegen ist, wußten selbst die zahlreichen Rationalisierungsverlierer rund um den Schalker Markt, als sie Eichberg in das Amt des Präsidenten wählten. Der legte sich dann auch kräftig ins Zeug, um die Stehkurvenparole „Nie mehr zweite Liga“ einzulösen. Nach dem Motto „Heute gehört mir Schalke und morgen die ganze Welt“ kaufte König Eichberg allerlei Spieler ein und entließ allerlei Trainer.

In der laufenden Spielzeit wurde dem eifrigen und beliebten Coach Peter Neururer der Stuhl vor das Parkstadion gestellt, statt dessen durften interimsweise Klaus Fischer und Helmut Kremers ran. Doch als Eichberg nach dem für Schalke enttäuschenden 1:1-Unentschieden am Samstag gegen Blau-Weiß Berlin den Journalisten anheim gab, er werde heute gleich „eineinhalb Trainer entlassen“, herrschte zunächst eine gewisse Ratlosigkeit. Denn schließlich sahen selbst Schalker aus der entfernten Kurve immer noch eines, daß Fischer und Kremers zwei völlig verschiedene Personen waren, wenn auch nun in einer faden Trainersymbiose vereint.

Aufschluß über derlei mathematische Haarspalterei verspricht ein Blick in den 'Schalker Kreisel‘, das Zentralorgan des Klubs.

Helmut Kremers ist nämlich nur ein halber Trainer, weil er den Trainerschein „mal am Bahnhof gezogen“ hat. Klaus Fischer indes ist ein ganzer Trainer. Er erklärte kategorisch: „Dort habe ich ihn nicht gezogen. Ich habe dafür vier Wochen an einem Lehrgang teilgenommen.“ Wie auch immer und egal wo. Genutzt hat das alles nichts. Ab dem 1. Januar werden „die zwei“ nicht mehr auf der Trainerbank hocken.

Die Plaudertasche Alexander Ristic soll ab 1991 in Schalke die Post abgehen lassen. Viel Arbeit kommt da auf den Ex-Düsseldorfer zu. Hohe Erwartungen eines Publikums, das gegen Berlin kaum mehr als Mittelmaß in den analytischen Augenschein nehmen konnte, paaren sich traditionsgemäß in Schalke wie in Düsseldorf, mit fußballerischem Imponiergehabe seitens des Vorstandes. Denn die Freunde-Präsidenten Förster von Fortuna und Eichberg auf seiten Schalkes sind nun einmal die Könige und wollen es auch bleiben. Starke Trainer fürchten sie wie die Teufel das Weihwasser.

Häuptling Oskar Siebert wird Günther Eichberg davon ein Lied gesungen haben. Ob die Übergabe des Geburtstagsgeschenkes für Oskar, der Wiederaufstieg, pünktlich zum Saisonende vonstatten gehen kann, oder ob Siebert noch einige Monde auf Gran Canaria untergehen sieht, steht allein in Schalkes Sternen geschrieben (und nicht auf Eichbergs Konto). Torsten Haselbauer