Unter Beobachtung

■ Die Innenminister prüfen die Verfassungsfeindlichkeit der PDS

Ein wenig mehr Souveränität hätte den Innenministern der Länder gut angestanden. Zwar konnten sie am Wochenende in Dresden die Hardliner aus Bayern und Baden-Württemberg, die die PDS am liebsten sofort für linksextremistisch und verfassungsfeindlich erklären würden, noch einmal aufs neue Jahr vertrösten; doch das moderatere Votum für die sogenannte offene Beobachtung der SED-Nachfolgepartei geht in die gleiche Richtung. Denn auf die spitzfindige Unterscheidung zwischen Beobachtung und nachrichtendienstlicher Überwachung durch den Verfassungsschutz wird sich die Öffentlichkeit kaum einlassen. Statt der politischen Auseinandersetzung mit der PDS gelassen entgegenzusehen, stricken die Innenminister am Popanz der Verfassungsfeindlichkeit. Ohne Not setzen sie den Automatismus geheimdienstlicher Diskriminierung einer Partei in Gang, zu deren nachhaltigem Erbe gerade die Verantwortung für flächendeckende Geheimdienstkontrolle im SED-Staat zählt.

Schon um die kurzschlüssige Assoziation paralleler Strategien gegen Andersdenkende zu verhindern, darf die PDS nicht zum Objekt des Verfassungsschutzes werden. Das gilt um so mehr, als sich die Partei in ihrer Programmatik nirgends gegen die Grundsätze der Verfassung ausspricht. Das betont nicht nur Parteichef Gysi; das hat auch Innenminister Schäuble mittlerweile erkannt, dem es wohl, wie den meisten politischen Beobachtern, schwerfällt, programmatische Unterschiede zur SPD und den Grünen zu erkennen. Wenn Bayerns Stoiber der SED-Nachfolgerin jetzt „marxistisch- leninistischen Fundamentalismus“ unterstellt, charakterisiert das weniger die PDS, als das paranoide Weltbild eines eingefleischten Radikalen, der am objektiven Verschwinden alter Feindbilder leidet. Die PDS ohne Geheimdienstüberwachung ist eine Partei im Niedergang. Nur die Verfolgung im Zusammenspiel mit dem wachsenden Problemdruck in der ehemaligen DDR, den die PDS geschickt zu instrumentalisieren weiß, könnte ihr noch einmal zur Renaissance verhelfen. Schon jetzt ist die Solidarisierung ihrer Anhänger gegen die Ausgrenzung aus dem legitimen politischen Spektrum das zentrale innerparteiliche Bindemittel. Zudem gerät die Diskriminierung den PDS- Sympathisanten zum Argument, die Verantwortung für vier Jahrzehnte realsozialistischer Praxis abzuschütteln. An dieser Rechtfertigung stricken seit dem Wochenende auch die Innenminister. Matthias Geis