Lebenslagen-Steuer für die Einheit

■ Die deutsche Einheit muß in jedermanns und -fraus Portemonnaie spürbar sein QUERSPALTE

Nun sage niemand, daß es kein pfiffiges Kätzchen ist, das 14 Tage nach den Wahlen aus dem Steuersack unseres Finanzministers rausgelassen wird. „Keine Steuererhöhungen zur Finanzierung der deutschen Einheit!“ hieß das Wahlversprechen der Bundesregierung — und recht hatten sie, die Bonner Herren! Denn was jetzt scheibchenweise Tag für Tag an Finanzierungsvorschlägen auf den Tisch gelegt wird, ist doch viel bürgernäher als eine abstrakte Steuererhöhung. Bei der hätten womöglich noch diejenigen besonders blechen müssen, die für ihre Opferbereitschaft und ihren Investitionswillen doch belohnt gehören.

Mal ehrlich: Wer hat sie denn gewollt, die deutsche Einheit? Doch nicht Edeka, Aldi, Sony oder VW. Die sind doch nur mehr oder weniger widerwillig da reingerutscht und können gar nichts dagegen tun, daß sie jetzt kräftig daran verdienen. Nein, so richtig wollen gewollt hat doch das Volk die Einheit. Und darum gibt es jetzt nichts Gerechteres, als daß das Volk dafür auch zahlt. Nur wer zahlt, will gern auch wissen wofür. Gerade darum sind die Finanzierungsvorschläge unseres Finanzministers ja so einleuchtend und bürgernah! Keine anonyme Kopfsteuer, wie sie Maggie Thatcher zum Verhängnis wurde, sondern Abgaben fürjedermann und jedefrau in allen Lebenslagen: ein Hunderter pro Autofahrer für den Ausbau des plombenziehenden DDR-Straßennetzes, ein paar Groschen pro Telefongespräch für die Installierung neuer Telefonkabel im Osten — das sind ja nur erste Schritte in eine richtige Richtung, in die allumfassend und zügig weitergedacht werden muß: für den Ausbau der verrotteten Freibäder in den fünf neuen Bundesländern ein Bäderpfennig, für die Sanierung des maroden Wasserleitungssystems ein Zapfgroschen und für all die, die immer noch nicht gelernt haben, daß sie von der Bahn aufs Auto umsteigen sollen, eine Schienenbenutzungsabgabe.

Bei der Restaurierung der vom Verfall bedrohten Mietshäuser in der ehemaligen DDR hilft nur noch ein monatlicher Aufbauzuschuß sämtlicher Mieter, und zur Ankurbelung des Wohnungsbaus könnten die Wohnungssuchenden selbst in eine wöchentliche Lotterie einzahlen, die als Hauptgewinn jeden Samstag eine Wohnung ausschüttet. Ja, und wer würde nicht aus vollem Herzen seinen Obolus für eine reinere Luft entrichten? Etwa in Form einer einmaligen Atem-Lizenz-Abgabe für jedes Neugeborene zur Finanzierung von Filteranlagen in den stinkenden Schloten von Bitterfeld?

Vera Gaserow