ANC geht auf harten Kurs

ANC setzt Zeitlimit für Gespräche mit der Regierung/ Delegierte erklären 1991 zum Jahr der „Massenaktionen zur Übergabe der Macht an das Volk“  ■ Aus Johannesburg Hans Brandt

Mit einer harten, die südafrikanische Regierung scharf kritisierenden Erklärung hat der Afrikanische Nationalkongreß (ANC) am Sonntag seine erste legale Strategiekonferenz seit 30 Jahren innerhalb Südafrikas abgeschlossen. In der von 1.603 Delegierten aus dem In- und Ausland verabschiedeten Erklärung warnt der ANC, daß Gespräche mit der Regierung suspendiert werden, wenn nicht „sichtbare Fortschritte“ bei der Beseitigung von Hindernissen auf dem Weg zu vollwertigen Verhandlungen über eine neue Verfassung erzielt werden.

„Es wird keine Diskussionen über eine Verfassung geben, bevor nicht alle Hindernisse aus dem Weg geräumt sind“, sagte ANC-Vizepräsident Nelson Mandela in seiner Abschlußrede.

Damit widersetzt der ANC sich direkt den Wünschen der Regierung. Präsident Frederick de Klerk hatte in der vergangenen Woche erneut betont, daß er den Beginn substantieller Verhandlungen bereits zu Anfang des neuen Jahres erwartet. „Es geht nicht mehr um Zeitpläne im Umgang mit der Regierung, sondern um Taten“, faßte Joe Slovo, Generalsekretär der südafrikanischen kommunistischen Partei zusammen. Der ANC hat seine Drohung, die Gespräche zu suspendieren mit keiner ausdrücklichen Frist verbunden. Doch bisherigen Abkommen mit der Regierung zufolge müssen alle Hindernisse bis Ende April 1991 entfernt werden.

Besonders besorgt zeigten sich die Delegierten auf der Konferenz über die Welle der Gewalt, die seit Beginn des Jahres mehr als 3.000 Menschenleben gefordert hat. „Es besteht kein Widerspruch zwischen der Suspendierung des bewaffneten Kampfes und unserem Recht auf Selbstverteidigung“, heißt es denn auch in einer Resolution. Darin wird zur Bildung von Selbstverteidigungsgruppen aufgerufen, in denen bewaffnete ANC-Guerillas eine aktive Rolle spielen. „Wenn unsere Leute angegriffen werden, darf man erwarten, daß Guerillas zu ihrer Verteidigung eingreifen“, betonte Joe Modise, Leiter der ANC-Armee „Umkhonto we Sizwe“, zu deutsch: Speer der Nation.

Zur Frage der gegen Südafrika verhängten Sanktionen bestätigte die Konferenz den bisherigen Aufruf zur Aufrechterhaltung des wirtschaftlichen Drucks. Auch der Entschluß der EG-Gipfelkonferenz vom Samstag in Rom, womit ein erster Schritt zur Aufhebung des Verbots von Neuinvestitionen in Südafrika getan wurde, änderte die Position des ANC nicht.

Im Gegenteil, der Pressesprecher des ANC, Pallo Jordan, hatte bereits am Samstag erklärt, daß Sanktionen erst auf Initiative des ANC fallengelassen werden sollten. Und selbst der ANC-Beauftragte für Internationales, Thabo Mbeki, der sich für eine Lockerung der ANC-Position gegenüber Sanktionen eingesetzt hatte, sagte lediglich, daß nur „weitere Konsultationen“ zu einer Veränderung der ANC-Haltung in der Sanktionsfrage führen könnten.

In seiner Abschlußrede machte Mandela deutlich, daß die Führung des ANC im Laufe der Konferenz massiv und wiederholt kritisiert worden war. „Es gibt Schwächen und Fehler, von denen einige sehr ernsthaft sind“, sagte der Vizepräsident. Dennoch betonte er: „Wir verlassen diese Konferenz mit einem besseren Verständnis für einander.“

Der ANC zeigte sich nach dieser Konferenz allerdings von einer härteren Seite als zuvor. Mit aller Deutlichkeit sagt die Abschlußerklärung, daß „es keine grundsätzliche Veränderung in der politischen Situation“ in Südfarika gegeben habe. „Das Apartheidregime hat in den letzten Monaten gezeigt, daß es unser Ziel eines demokratischen Südafrikas nicht unterstützt“, heißt es in der Erklärung. Statt dessen sei es Absicht der Regierung de Klerk, „weiße Vorherrschaft in einer neuen Form aufrechtzuerhalten“. Weitere heftige Konfrontationen sind vorprogrammiert. Schließlich beschloß die Konferenz für das kommende Jahr 1991 das Motto: „Jahr der Massenaktionen zur Übergabe der Macht an das Volk“.