19 Jahre für Chico Mendes' Mörder

Mit hohen Freiheitsstrafen hat ein Geschworenengericht in der westbrasilianischen Urwaldgemeinde Xapuri die Ermordung des Umweltschützers Chico Mendes und die Anstiftung zur Tat geahndet  ■ Aus Xapuri Astrid Prange

Mit derselben Sicherheit, mit der Chico Mendes seinen Tod voraussagte, näherte sich auch die Urteilsverkündung des Geschworenengerichts. Nach vier Tagen Verhandlungen wurden in der Nacht zum Sonntag Darli Alves da Silva, 54, und sein Sohn Darci Perreira, 23, in der Stadt Xapuri wegen heimtückischen und vorsätzlichen Mordes an dem Umweltschützer und Gummizapfer Mendes zu jeweils 19 Jahren Haft verurteilt. Zum ersten Mal in der 85jährigen Geschichte des nordbrasilianischen Bundesstaates Acre wird somit ein Großgrundbesitzer für seine Verbrechen zur Rechenschaft gezogen und verurteilt.

Darci Perreira hatte bereits am ersten Verhandlungstag gestanden, Chico Mendes in der Nacht vom 22. Dezember 1988 in seinem Garten „wie eine Raubkatze abgeknallt“ zu haben. Sein Vater Darli Alves da Silva, der jede Beteiligung an dem Verbrechen bestritt, konnte erst durch die belastende Zeugenaussage von Genésio Ferreira da Silva überführt werden.

Der 15jährige Junge, der von seinem siebten bis zum 14. Lebensjahr auf der Fazende von Darli Alves da Silva lebte, sollte wie die beiden Söhne Darci und Oloci zu einem professionellen Killer ausgebildet werden. Er beschuldigt seinen Ziehvater, den Mordauftrag gegeben zu haben. Zudem belastete Genésio Ferreira die Familie Alves da Silva noch mit sieben weiteren Morden.

Die kriminelle Laufbahn der Familie Alves da Silva begann 1973 im südbrasilianischen Bundesstaat Parana. Damals beauftragte Darli drei Killer, seinen Nachbarn umzubringen, weil dieser sich „zu sehr in das Leben seines Bruders Alvarino eingemischt hatte.“ Die Kampagne der brasilianischen Militärregierung zur „Erschließung“ des Amazonas in den 70er Jahren kam ihm da gerade recht. Angelockt von Steuernachlässen und Zinsvorteilen setzte sich Darli in den Amazonas ab, um in Acre Viehzucht zu betreiben.

Die Seringueiros, die dort in den Wäldern Gummibäume anzapften und Paranüsse sammelten, erkannten, daß durch die Ankunft der Rinderzüchter ihre Lebensgrundlagen in Gefahr gerieten und schlossen sich zu einer Gewerkschaft zusammen. Ihr Führer Chico Mendes war einer der 50 Landarbeiter, die im Zeitraum von 1975 bis 1988 im Kampf gegen die Großgrundbesitzer ihr Leben verloren. Vergeblich denunzierte er die unzähligen gegen ihn gerichteten Morddrohungen. Erst zwei Jahre nach seinem Tod, an seinem 46. Geburtstag, sind die Mörder von Chico Mendes nun hinter Gitter gebracht, scheint Recht und Ordnung wiederhergestellt. Doch bei näherer Betrachtung entpuppt sich der Prozeß eher als Ausnahme, die die Regel bestätigt. Die Auseinandersetzungen zwischen Landarbeitern und Großgrundbesitzern laufen auf vollen Touren weiter. Letztere bewiesen gleich am zweiten Verhandlungstag, daß sie sich von der Justiz nicht im geringsten einschüchtern lassen: Sie beauftragten drei Killer, den Führer der Landarbeitergewerkschaft aus Recife, José Hélio da Silva, zu ermorden.

Nicht nur unbequeme Gewerkschaftsführer, auch Beamte der brasilianischen Umweltbehörde „Ibama“ werden von den Großgrundbesitzern wie Freiwild behandelt. In den vergangenen fünf Jahren wurden acht Umweltkontrolleure erschossen. Eine Änderung des traurigen Szenarios ist nicht in Sicht, denn Präsident Fernando Collor de Mello beschränkt sich in seiner Umweltpolitik auf medienwirksame Aktionen wie die Sprengung geheimer Landepisten von Goldgräbern. Von einem langfristigen Konzept zur ökologisch verträglichen Nutzung des Regenwaldes fehlt bis jetzt jede Spur, nicht mit einem Wort ist die dringend notwendige Agrarreform im Regierungsprogramm erwähnt.

Gegenüber Rinderzüchtern, Sägewerkbesitzern und Agroindustriellen stehen Landarbeiter und Gummizapfer auf verlorenem Posten. Die Kautschukära ist vorbei, die Vernichtung des Amazonas noch nicht verheerend genug. Die düstere Prognose von Brasiliens Umweltminister José Lutzenberger, nur 30 Prozent des Regenwaldes seien letztlich zu retten, scheint realistisch.