Der Tiefpunkt kommt im Sommer

■ Rund drei Millionen Arbeitslose und KurzarbeiterInnen werden in Ostdeutschland erwartet/ Landesarbeitsämter kaum funktionstüchtig/ Regionalprogramm für Bitterfeld

Berlin (dpa/taz) — Jetzt ist der soziale Zusammenbruch in den Ländern der ehemaligen DDR auch amtlich vorhergesagt und terminiert. Der Direktor der Zentralen Arbeitsverwaltung für die neuen Bundesländer, Reiner Herbst, rechnet für den nächsten Sommer mit rund drei Millionen Arbeitslosen und KurzarbeiterInnen in Ostdeutschland. „Das ist immerhin jeder dritte Bürger im erwerbsfähigen Alter“, räsonierte Herbst gegenüber der 'Berliner Morgenpost‘. Von 1992 an werde es dann endlich wieder aufwärtsgehen mit einem Aufschwung wie in den goldenen Fünzigern im Westen.

Zu Anfang des Monats lag die Zahl der Arbeitslosen bei rund 600.000 und der KurzarbeiterInnen bei rund 1,8 Millionen, deren durchschnittliche Arbeitszeit bei rund 50 Prozent lag. Der derzeitige Zustand ist also zum erwarteten Tiefpunkt nur noch um rund 600.000 von Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit Betroffene entfernt. Der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Heinrich Franke, geht davon aus, daß die offiziell registrierte Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland im ersten Halbjahr 1991 die Millionengrenze überschreiten wird. Spätestens im Sommer, so meint er, werde der Tiefpunkt der Beschäftigung erreicht sein. Im Jahresdurchschnitt erwartet er rund eine Million Arbeitslose. Wie viele Menschen in diesem Prozeß ganz aus dem Arbeitsmarkt ausgeschlossen werden und insofern nicht mehr in den Statistiken des Arbeitsamtes auftauchen, darüber machten die Arbeitsmarktverwalter keine Angaben.

Im Westen dagegen sieht Franke rosige Zeiten anbrechen. In diesem Jahr ist die Arbeitslosigkeit in den westlichen Bundesländern im Jahresdurchschnitt auf unter 1,9 Millionen gefallen. Im nächsten Jahr, so Franke, sei eine weitere Verringerung um rund 100.000 möglich. Allerdings, so haben inzwischen Untersuchungen ergeben, könnte der Abbau von Arbeitslosigkeit im Westen noch deutlicher ausfallen, wenn es nicht eine heftige Zuwanderung aus dem Osten gäbe. Viele UnternehmerInnen, die in den letzten Monaten dazu übergegangen waren, auch Langzeitarbeitslose einzustellen, bevorzugen nun Arbeitskräfte aus dem ehemaligen DDR-Gebiet. Schätzungen gehen von monatlich rund 100.000 Zuwanderern aus dem Osten aus. Dabei sind Hundertausende von Pendlern und Schwarzarbeitern nicht mitgerechnet. So sorgt die Wirtschaftskrise in Ostdeutschland dafür, daß im Westen die Sokkelarbeitslosigkeit erhalten bleibt.

Herbst räumte ein, es werde derzeit viel zuwenig für Weiterbildung und Arbeitsbeschaffung unternommen. Das soll in der Krisenregion Bitterfeld viel besser laufen, wie der Wirtschaftsminister von Sachsen- Anhalt, Horst Rehberger, am Freitag Bundeswirtschaftsminister Helmut Haussmann während einer Regionalkonferenz erklärte. Von den 40.000 Beschäftigten, die demnächst zum Arbeitsamt geschickt werden, soll rund die Hälfte umgeschult werden. marke