Stahl-Einigung um „fünf vor zwölf“

Düsseldorf (dpa/taz) — Das Geschrei der Parteien am Ende der Stahl-Tarifrunde war dramatischer als die zur Verhandlung stehende Differenz. Nach rund fünfzehn Stunden standen am Sonntag morgen die Unterschriften unter dem neuen Tarifvertrag, in dem den rund 135.000 Stahlkochern aus Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bremen zugesichert wird: Sechs Prozent mehr Lohn und eine anrechenbare Vorweganhebung der Ecklöhne um 26 Pfennig ab 1.1.1991, die 35-Stunden-Woche ab 1.4.1995, sowie eine Pauschale für November und Dezember von je DM 275.

Damit braucht der IG-Metall- Vorstand nicht, wie ursprünglich geplant, am Montag über eine Urabstimmung im Stahlbereich zu entscheiden. Er wird dies mit Erleichterung zur Kenntnis genommen haben, weil niemand in der Metallgewerkschaft im Ernst einen Streik für möglich gehalten hat. Schon bei den Verhandlungen Anfang Dezember waren die Tarifparteien sich über die wichtigsten Eckpunkte, Lohnerhöhung und Arbeitszeitverkürzung, einig gewesen. Nur in der Frage der Vorweganhebung gab es noch Differenzen, weil die Stahlarbeiter eine vollständige Gleichstellung mit den Beschäftigten in der Metallindustrie verlangten. Mit der Vorweganhebung um 26 Pfennig ist die Differenz zu den Metallern nun auf 16 Pfennig geschmolzen. Als Basis für einen Streik wäre dieses Problem ohnehin nicht tragfähig gewesen, zumal in Teilen der Stahlindustrie faktisch schon seit längerer Zeit der gleiche Ecklohn wie in der Metallindustrie gezahlt wird. Die geringfügige Benachteiligung beim Ecklohn wird den Stahlwerkern durch ein anderes Bonbon versüßt: sie bekommen die 35-Stunden-Woche ein halbes Jahr früher als ihre Metall-Kollegen. Die Stahlarbeitgeber äußerten Erleichterung, daß der „Betriebsfrieden“ nun erhalten bleibe; die Gewerkschaft lobte die Warnstreikaktivitäten in den Betrieben, die den Kompromiß erst ermöglicht hätten. marke