Rettender Strohhalm fehlt

■ Finanzierung des Projekts zum Schutz gegen sexuellen Mißbrauch von Kindern nun doch nicht gesichert/ Finanzlage erfordert Sparmaßnahmen

Berlin. Erst hüh, dann hott. Bei Strohhalm e.V., einem Projekt zum Schutz von Kindern gegenüber sexuellem Mißbrauch, hatten bereits die Sektkorken geknallt, als die sieben dort nebenberuflich arbeitenden Frauen nach der Haushaltsausschußsitzung im Oktober erfuhren, daß für ihr Projekt im nächsten Jahr erstmals 200.000 Mark bewilligt würden. Aus der Ehrenamtlichkeit sollte nun eine feste Tätigkeit werden — zwei der Frauen kündigten ihre festen Stellen, um am 1. Januar bei Strohhalm e.V. voll einsteigen zu können. Mit interessierten Schulen wurden Termine vereinbart und, so Projektmitarbeiterin Eva von Davier, »schon da war klar, daß wir 91 gar nicht alle Anfragen erfüllen können«. Wie berichtet, veranstaltet der Verein Workshops an Berliner Schulen, in denen Kinder durch Rollenspiele lernen, sexuellen Mißbrauch zu erkennen und sich dagegen zu wehren.

Doch dann kam das böse Erwachen: Eine von seiten der Frauen am 16.11. gestellte Nachfrage bei der Jugendverwaltung ergab, daß die Finanzierung dieses Projekts wegen anstehender Sparmaßnahmen erstmal nicht bewilligt werden könnte. Wozu ist ein parlamentarischer Beschluss also gut, wenn er von der Verwaltung wieder aufgehoben werden kann, fragt sich nicht zu Unrecht auch der jugendpolitische Sprecher der SPD, Klaus Löhe. Zu suchen ist der Grund in der vor den Wahlen so gern heruntergespielten, desolaten, weil ungeklärten Finanzlage der Stadt. Allein die Jugendverwaltung, so gestern deren Sprecherin Gabriele Kämper, müsse zunächst zwölf Prozent des bewilligten Haushaltes einsparen. Die Folge: Die bereits in diesem Jahr finanzierten Projekte werden in gleichem Ausmaß zwar weiter unterstützt, alle Aufstockungen und Neufinanzierungen jedoch werden erst einmal gestoppt und überprüft. Betroffen seien alle Projekte, an die noch keine Bewilligungsbescheide herausgegangen sind. Vor Februar sei »garantiert« nicht mit Entscheidungen zu rechnen.

Für die Frauen von Strohhalm e.V. ein großes Problem: Sie haben nicht nur feste Arbeitsplätze sausen lassen, sondern auch bereits einen schon lange nötigen Raum angemietet. Möglicherweise müssen sie Anfang des Jahres sogar wieder einen neuen Finanzierungsantrag stellen — die ganze Mühle ginge dann wieder von vorne los. Jetzt aber heißt es für die dort tätigen Frauen, aber auch für die durch sexuellen Mißbrauch gefährdeten Jungen und Mädchen erst einmal abwarten. maz

Projekte, die ebenfalls von Sparmaßnahmen betroffen sind oder in Zukunft erhebliche finanzielle Einschnitte befürchten, bitten wir, sich schriftlich an die taz-Lokalredaktion zu wenden, Stichwort: Soziales, Kochstr. 18, 1/61