Polizei löscht weiter

■ Obwohl es das neue Datenschutzgesetz verbietet, vernichtet die Polizei alte Vopo-Dateien weiter

Berlin. Trotz großen öffentlichen Wirbels über das widerrechtliche Löschen alter Volkspolizeidateien geht die »Aktion Reißwolf« ungehindert weiter. Dabei schreibt das seit November geltende neue Berliner Datenschutzgesetz bei der Löschung von Daten vor, daß die Betroffenen vorher gehört werden müssen. Doch weder sind die angeblich »besonders aktiven Täter« Homosexuelle, noch sind potientielle Kindesentführer von der Polizei auch nur informiert worden. Möglicherweise sind den Betroffenen in ihrem früheren DDR- Leben aber Nachteile entstanden, weil ihre Namen in Volkspolizeikarteien verzeichnet waren. Die nach bundesdeutschem Recht illegalen Dateien hätten Vorwürfe von Betroffenen erhärten können.

Werner Thronicker, Sprecher der Innenverwaltung, berief sich bei der Vernichtung der Vopo-Dateien auf eine Übergangsregelung im Datenschutzgesetz. Hiernach brauche man bis Ende 1992 das Gesetz nicht anwenden, wenn man auf die neuen Bestimmungen »organisatorisch nicht vorbereitet« sei. Außerdem sei ein Teil der Karteien »total unsortiert«. Die Karteien zu vernichten, sei ein geringerer Eingriff, als sie ersteinmal zu sortieren — nur um den Betroffenen mitteilen zu können, daß ihre Karteikarte gefunden worden ist.

Claudia Schmid, Sprecherin des Datenschutzbeauftragten, widersprach Thronickers Auffassung. Daß vor einer Vernichtung von Datenbeständen Betroffene auch jetzt schon gehört werden müssen, sei »außerordentlich konkret« geregelt. Eine Übergangsregelung gelte nur, wenn Daten ohne gesetzliche Grundlage oder ohne die Einwilligung des Betroffenen erhoben und verwendet würden. Weil die Menge der zu löschenden Daten allerdings enorm sei, schlug Schmid vor, auf die Benachrichtigung gespeicherter Personen eventuell zu verzichten. Dann müßte die Art der Daten veröffentlicht werden, die noch gelöscht werden sollen, und eine Frist gewahrt werden, in der Bürger erfahren können, was die Volkspolizei über sie gespeichert hatte (siehe auch Seite 6). Dirk Wildt