Die Saubermänner

■ Die CDU und die Visumfreiheit für Polen KOMMENTAR

So ist das mit der Visumpflicht — kaum ist sie weg, sind die Menschen nicht mehr zu halten. 25.000 schwappten am Wochenende über die deutsch-polnische Grenze und kauften ein, bis die Regale oder der Geldbeutel leer waren. So geschehen nicht in der Kantstraße oder am Hermannplatz, sondern in Szeczin und in Swinoujscie. Die Käufer waren keine Polen, sondern Deutsche, die sich so pfiffig und marktwirtschaftlich benahmen wie alle, die was vom Preis-Leistungs-Verhältnis verstehen: Sie gehen da einkaufen, wo es was gibt und wo es am billigsten ist. Genau das werden viele PolInnen tun, wenn die Visumfreiheit Rechtskraft erlangt.

Bleibt die Frage, ob sich Senat und Stadt pragmatisch verhalten oder lieber den kleinbürgerlichen Saubermann markieren, wie es die CDU bereits getan hat. Da wird schon wieder von »unhaltbaren hygienischen Zuständen« gefaselt (CDU-Generalsekretär Landowsky), weil man mit Müll lieber miese Politik machen will, anstatt genügend Mülltonnen aufzustellen. Und anstatt schon in Polen für Informationen zu sorgen über Zollvorschriften, Benimmregeln beim Einkaufen, über gute und schlechte Geschäftspraktiken, über seriöse und unseriöse Läden nicht nur in Berlin, pflegt die CDU lieber ihren provinziellen Rassismus und redet schon mal prophylaktisch von »steigender Kriminalität«, »Schwarzarbeit« und »Schwarzhandel«. Vielleicht sollten die christlichen Saubermänner alle mal nach Szcecin zum Einkaufen fahren — die Menschen dort kriegen den Ansturm aus Deutschland vermutlich besser auf die Reihe als die Metropole, die die CDU sich anschickt, zu regieren. Andrea Böhm

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