Basisdemokratie oder Honoratiorenpartei?

■ betr. "Grüner Sturm aufs Bonner Hauptquartier" und "Chancen vorläufig verspielt", Kommentar von Udo Knaap, taz vom 5.12.90

betr. „Grüner Sturm aufs Bonner Hauptquartier“ und „Chancen vorläufig verspielt“, Kommentar von Udo Knapp, taz vom 5.12.90

[...] Zwischen dem Agieren der Redaktionslieblinge und grüner Programmatik liegen Welten:

Wer sich nur aus taz, 'FR‘ und 'Spiegel‘ informierte, konnte sich nur noch über die Grünen wundern: Statt raus aus der Nato, wie im Programm: deutsch-grüne Weltmachtphantasien von Antje Vollmer, ebensolche Unsäglichkeiten ihres Adlatuses Bernd Ulrich und die Golf- Kreuzzüge des unvermeidlichen Udo Knapp. Statt ein klares Nein zur Müllverbrennung wie im Programm: ein „warum nicht“ der Fischer-Freunde Tom König, Uwe Lahl und Winfried Kretschmann. [...]

Wer wollte die vielen Leute in den Bürgerinitiativen gegen Müllverbrennung, insbesondere in Bayern für Idioten halten, die die merkwürdige Diskrepanz zwischen mehrheitlich getragenen programmatischen Positionen und die Außendarstellung der Grünen durch prominente Exponenten nicht bemerken. So wundert es kaum, daß diese ihr Kreuzchen nicht bei den Grünen gemacht haben. Nur fünf Tage vor der Wahl fand der Kongreß der bayerischen Bürgerinitiativen „das bessere Müllkonzept“ statt. Nichtpräsens grüner Prominenz, insbesondere derer, die den erhobenen Zeigefinger eines zum Glaubensbekenntnis konvertierten Ökologieprimates repräsentieren, ließ auch diese WählerInnen an den Grünen zweifeln.

[...] Sicher, die schwarz-rot-goldene Flut hat auch an Grünen Prozentpunkten genagt. Dies reicht allerdings nicht zur Erklärung. Kritisch fasse sich jeder an die Nase. War es richtig, deutsch-deutsche Unsäglichkeiten der letzten Monate, besonders in Rathaussesseln, aussitzen zu wollen? Die Mobilisierung grüner Basis fand praktisch nicht statt.

Letztendlich fand der Fluch der bösen Tat von Karlsruhe im Wahlergebnis seine Vollendung: Mit einem fingierten Finanzskandal wurde dort der Bundesvorstand gestürzt. Seither tendieren grüne Wahlergebnisse nach unten. Die Konstrukteure des Finanzskandals und Zerrbilder grüner Politik fordern nun Unterwerfung bei Strafe der Spaltung. Programmatik wird als Idoelogie diffamiert. Beliebigkeit als Realpolitik definiert. Strukturen sollen fallen. Umbau in eine autoritäre Honoratiorenpartei. Um die Selbstdarstellungsbedürfnisse der Vorsitzenden herum aufgebaut. Die Basis nur noch als schmückendes Beiwerk, als beifallspendende Masse. Wozu Bundesarbeitsgemeinschaften, wenn Inhalte nicht mehr gefragt sind? Grüne Basis, aufgepaßt! Wolfgang Kühr, Sprecher der BAG-Energie der Grünen,

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