Hochkonjunktur für betriebliche Frauenförderung

Im Rhein-Main-Gebiet bemühen sich immer mehr Firmen um die Einstellung weiblicher Arbeitskräfte — weil es nicht genügend qualifizierte Männer gibt  ■ Aus Frankfurt Gisela Wülffing

Melodien eines weiblichen Streichquartetts in Dur, wie sie kürzlich für „Hessens frauenfreundlichste Betriebe“ erklangen, wollen sich nicht recht einfügen in die Mißtöne all jener Prognosen, die Frauen überall als Verliererinnen im deutsch-deutschen Einigungsprozeß sehen. Zumindest im Rhein-Main-Gebiet hat keinesfalls das letzte Glöckchen für Frauenförderung und familienfreundliche Arbeitsplatzgestaltung geschlagen. Angesichts des Mangels an qualifizierten Arbeitskräften sind Frauen zunehmend gefragt.

Anette Mönich, Dorle Kempf und Anne König befinden sich sogar in ausgesprochener Aufbruchstimmung bezüglich der Arbeitsmarktchancen für Frauen im Maindelta. Sie gehören zur Geschäftsleitung der Frankfurter Firma Caro-Druck, die einen der Preise der hessischen Frauenbeauftragten Otti Geschka (CDU) entgegennahmen konnten. Für den fünfzigköpfigen selbstverwalteten Betrieb ist die Gleichstellung längst personalpolitischer Grundsatz: „Frauen werden nach familiär bedingter Unterbrechung auf ihre Erwerbstätigkeit gezielt angesprochen und bevorzugt eingestellt.“

Es macht in der Tat einen Unterschied, ob ein Betrieb um Frauen wirbt, weil keine Männer greifbar sind, oder ob eine bewußte Entscheidung für Quotierung die Ausgangsposition eines mittelgroßen Betriebes ist. Die weiblichen und männlichen Betriebsangehörigen stehen zu ihrem gesellschaftlichen Experiment, das auch die bloße Unlust an „linearer“ männlicher Berufsbiografie mancher Kolleginnen respektiert und nicht nur Mutterlasten als Argument gelten läßt. Aber die Preisträgerinnen verhehlen auch nicht den Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften in ihrer Branche.

Es sei ein Irrtum zu glauben, daß die Form des selbstverwalteten Betriebes automatisch eine entgegenkommende Arbeitsplatzgestaltung hervorbringt; der Arbeitsmarkt bleibt als Faktor entscheidend, und ohne entsprechendes Bewußtsein kommen auch keine Stellenanzeigen zustande, die sich ausdrücklich an Frauen wenden.

Caro-Druck weiß sich mit Großunternehmen in bester Gesellschaft. Im Rhein-Main-Gebiet gehen bereits 70 Prozent der Frauen zwischen zwanzig und sechzig Jahren einer Erwerbsarbeit nach — der Bundesdurchschnitt liegt knapp unter 40 Prozent. Für Frankfurt läßt sich sogar sagen, daß Frauen die Gewinnerinnen auf dem Arbeitsmarkt sind: Auf sie fallen 42,3 Prozent aller Arbeitsplätze, unerkannt fast quotiert.

Natürlich werden Handel, Banken und Versicherungen das Lustprinzip beim Wunsch nach flexibler Arbeitszeit weniger berücksichtigen als Alternativfirmen wie Caro- Druck. Herkömmliche Firmen lassen eher das Argument der Doppel- und Dreifachbelastung gelten, wenn es darum geht, Frauen einzustellen. Im starren Achtstundenmodell ist deshalb einiges in Bewegung geraten. Nach Einschätzung der Amtsleiterin des Frankfurter Frauendezernats, Renate Krauß-Plötz, liegt hier die Chance für Frauen, jetzt offensiv Rahmenbedingungen für eine konjunkturunabhängigere Frauenförderung festzuklopfen, damit mehr Frauen ein dichteres Netz von Frauenseilschaften bilden können.

In Frankfurt zeigen die Ergebnisse von Frauenstadtgesprächen mit Bankangestellten, Straßenbahnfahrerinnen, Gewerkschafterinnen und Beschäftigten in Bildungsprojekten potentiell tragfähige gemeinsame Interessen von Frauen, die im Zusammenspiel von öffentlichem Dienst und Privatwirtschaft bei Verkehrsplanung, Kinderbetreuung oder Fortbildung Ausdruck finden können.

Das Frauendezernat wird Anfang Januar eine Studie über „Struktur und Entwicklung des Frankfurter Erwerbsarbeitsmarktes für Frauen“ des feministischen interdisziplinären Forschungszentrums vorlegen. Neben Analyse und Entwicklungstendenzen für Frauen in qualifizierten Berufen werden vor allem die Vorschläge spannend sein, wie Frauen — ohne die besseren Männer werden zu müssen — in Entscheidungspositionen gelangen. Die Studie wird wohl nicht zu dem Schluß kommen, daß Betriebsvereinbarungen in Großfirmen zur Freistellung von Frauen über den Erziehungsurlaub hinaus mit Arbeitsplatzgarantie alleine ausreichend sind, wie dies von der Firma Hoechst, der Allianz-Versicherung oder der GTZ schon ins Auge gefaßt wird. Solche Anfänge müssen als Knirschen im Gebälk des überkommenen gemeinsamen Arbeitgeber- und Gewerkschaftsinteresses wahrgenommen und von den Frauen ausgenutzt werden. Die große Versicherungsgesellschaft zum Beispiel steht in Verhandlung mit dem Frankfurter Schulderzernat über die Mischfinanzierung eines Betriebskindergartens, der seine Türen auch für „externe“ Kinder öffnen würde. Was der Stadt fehlt — Raum und Personal — kann die Firma aufweisen.

Die weiblichen Beschäftigten in der Dienstleistungsregion könnten jetzt durchaus auch den betrieblichen Standard zur Forderung erheben, wie er bei der schon erwähnten Firma Caro-Druck herrscht: Taxikosten werden für Schichtarbeiterinnen ab 22.30 Uhr übernommen, und Frauen werden bei der Konzeption und Gestaltung neuer Arbeitsplätze und deren Umgebung einbezogen. Auch das Kaufhaus Hertie hat sich auf neue Teilzeitmodelle eingelassen, wie sie von Frauen gewünscht werden, wobei sich das mittlere Management mit der Umsetzung der Konzeption aber noch schwer tut. BetriebsrätInnen kommen also nicht umhin, hier mehr Druck auszuüben.

Die Stärken der Frauen, Kommunikationsfähigkeit, Improvisationsvermögen und praktische Kreativität werden zwar zunehmend geschätzt, kommen aber leider selten zur Anwendung, solange die statische und ungerechte Aufteilung zwischen privater und gesellschaftlicher Arbeit der Maßstab in der Erwerbswelt bleibt. Für Frauen heißt das perspektivisch in doppelter Hinsicht, daß „Emanzipation Arbeit ist“, wie Renate Krauß-Pötz sagt. [demnach wäre ich schon bei mindestens 300 Prozent Emanzipation angelangt, d. s-in] Wäre Nichtemanzipiertheit mit weniger Arbeit und mehr Müßiggang verbunden, könnte ruhig alles beim Alten bleiben. Aber dem ist wohl nicht so.