Shakehands bei US-Blockade

Bei der friedlichen Blockade eines US-Kriegskonvois in Mannheim suchten DemonstrantInnen den Dialog mit den GIs/ Die Polizei bahnte erst nach mehr als einer Stunde den Lkws den Weg  ■ Aus Mannheim J. Weidemann

Der Motor des US-Militärtrucks grollt wütend auf. Der Fahrer — ein Deutscher — hält geradwegs auf den Protestiererpulk zu, der an diesem Sonntag nachmittag eines der Tore der Mannheimer Coleman-Kaserne blockiert. Erst wenige Meter vor der Menschenmenge geht der Fahrer langsam vom Gas. Im Kriechtempo versucht er, die vordersten Blockierer abzudrängen. Schreie der Empörung. Aus der Kaserne eilt ein Militärpolizist herbei. Er stoppt den LKW, befiehlt dem Fahrer, sofort zurückzustoßen. Der ist sichtlich ist genervt. Unwirsch schreit er einen Demonstranten an, der ihm ein Flugblatt reicht: „Steckt dir den Mist doch an den Hut!“

Zwischen 60 und 80 Golfkriegsgegner harren in Eiseskälte vor den Coleman-Barracks aus. „Sonntagsspaziergang“ nennen sie das. In der Kaserne sammelt die US-Army mobilgemachte Militär-Konvois aus ganz Süddeutschland. Sie werden im strategisch wichtigen Mannheimer Hafen auf Binnenlastkähne umgeschlagen. Die Kähne hat das Pentagon von deutschen Schiffseignern gechartet; die verdienen sich am Golfkonflikt eine goldene Nase. Ziel der Schiffe diesmal: Antwerpen. Und von dort, so ein GI, geht's binnen „einer Woche, zehn Tagen“ nach Saudi-Arabien.

Daß sie die US-Mobilmachung nicht verhindern werden, wissen die Protestler. Dennoch setzen sie sich zweierlei zum Ziel: „Wir wenden uns wenigstens symbolisch gegen die Kriegsvorbereitung; von deutschem Boden soll nie wieder Krieg ausgehen. Aber zugleich wollen wir den US-GIs unsere Solidarität zeigen.“ Die Demonstranten — unter ihnen viele Mitdreißiger — seien „die Reste der Friedensbewegung“, bilanziert eine Teilnehmerin. Inzwischen, sagt sie weiter, würden die Mannheimer Blockaden jedoch außer von den Grünen auch vom DGB unterstützt.

Das Warten geht weiter. Plötzlich, wie nach einem stummen Kommando, braust die Lkw-Kolonne im Innern der Kaserne zu einem anderen Tor, das nicht belagert ist. Die Blockierer beraten kurz — dann handeln sie. Ein Teil bleibt vor dem Tor. Eine kleine Gruppe blockiert die Autobahnauffahrt zur A 6, die der Truck- Konvoi nolens-volens nehmen muß. Das Gros der Blockierer eilt unterdessen in Richtung Hafen, genauer: zur Hafenabfahrt der Bundesstraße B36. Weiße Schilder mit der Aufschrift „Military barge site“ weisen den Weg zum Verladedock. Alles läuft nach Plan: Die Ausfahrt wird blockiert, binnen kurzer Zeit stauen sich zwölf US-Lkws, später ebensoviele Jeeps. Zivilisten indes dürfen weiter passieren.

Die ersten GIs steigen aus, gehen nach vorne. Einzelne Blockierer begegnen ihnen mit Schokolade und Zigaretten. Shakehands. Es beginnen Diskusionen über den Einsatz am Golf. Einer der Fahrer, ein 25jähriger US-GI, sprüht vor Nationalstolz: „Für mich gilt die Devise: Do it or die! (Tu's oder stirb) Es macht nichts, wenn es falsch ist. Es geht um mein Land, es geht um Amerika.“ Doch nicht alle Fahrer geben sich so patriotisch. Im Cockpit seines Trucks gesteht ein GI seine Angst ein: „Ich will diesen Piß-Krieg nicht. Ich kam in die Armee, um den Frieden in Europa zu verteidigen. Als die Mauer fiel, war ich begeistert. Das war mit mein Verdienst. Freunde von mir, die schon am Golf sind, denken genauso. Aber wenn der Befehl kommt, dann muß ich mitgehen. Ich habe einen Vertrag unterschrieben.“

Erst nach mehr als einer Stunde trifft die Mannheimer Polizei ein. Wegen des parallel laufenden Eishockeyspiels des Mannheimer ERCs nur in verminderter Stärke, dafür aber mit zwei Hundeführern. Es beginnt ein Duell der Megaphone: Räumungsaufruf contra Antikriegsparolen. Nach drei Warnungen drängen die Beamten die Blockierer ab. Die Hunde kleffen, einer gerät außer Kontrolle, beißt zu. Seine Zähne reißen ein Loch in die Lederhose einer Blockiererin, obwohl diese die Straße schon verlassen hatte. Die Frau bleibt dank ihrer „dicken Haut“ unverletzt. Am Ende jedoch erweist sich die Polizei kulanter, als es anfangs schien: Anders als angedroht, wurde keiner der Demonstranten verhaftet.