Humboldt-Krach zwischen SPD und CDU

■ Koalitionspartner in spe streiten heftig um »Abwicklung« und »Überführung« der Humboldt-Uni/ Riedmüller-Vorlage von CDU abgelehnt

Berlin. Zwischen den künftigen Elefantenhochzeitern ist es gestern zum ersten großen Konflikt gekommen: Während in den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD bisher fast alles ruhig ablief, gerieten die neuen Partner in der Senatssitzung beim Thema Hochschulpolitik aneinander. Wie berichtet, wollte die Landesregierung gestern eine Beschlußvorlage von Wissenschaftssenatorin Barbara Riedmüller absegnen, die die »Überführung und Abwicklung« von wissenschaftlichen Einrichtungen im Ostteil der Stadt regeln soll. In Absprache mit der CDU wurde beschlossen, weite Teile der Humboldt-Universität ab 1991 zu überführen. Zum Streit führte die Vorstellung der SPD, fünf »ideologisch belastete« Fachbereiche »abzuwickeln« und neu zu strukturieren. Betroffen wären davon die Fächer Wirtschaftswissenschaften, Philosophie, Geschichte, Jura und Erziehungswissenschaften.

Im Einigungsvertrag, dem die schönen Begriffe »überführen« und »abwickeln« zu verdanken sind, und im Berliner Mantelgesetz wurde festgelegt, daß sich die Länder bis Ende dieses Jahres entscheiden müssen, welche Einrichtungen sie übernehmen wollen. Die Berliner CDU, die bisher radikaler »abwickeln« wollte als die SPD, machte gestern pötzlich eine Kehrtwendung: Sie sprach sich in der Senatssitzung dafür aus, die fünf strittigen Bereiche ebenfalls in Landeshoheit zu überführen und dann in Einzelfallprüfungen über die Einstellung von Wissenschaftlern zu entscheiden. Eine Einigung konnte während der kontroversen Sitzung, in der die SPD sogar in eine »Auszeit« flüchtete, nicht erzielt werden. Wegen des Zeitdrucks wird der Senat vermutlich am Samstag zu einer Sondersitzung zusammenkommen. Wie Riedmüller und der Ostberliner Wissenschaftsstadtrat Ottmar Kny (CDU) anschließend beteuerten, bestehe zwar über die Ziele der Hochschulpolitik Konsens, nicht aber beim Verfahren. Einig war man sich in der Runde über die »Abwicklung« besonders belasteter Einrichtungen: So wird die Hochschule für Ökonomie (HfÖ) ebenso »abgewickelt« wie die Studiengänge Kriminalistik, Wissenschaft-Technik-Organisation und der Bereich Marxismus- Leninismus. Den Studenten, versicherte die Senatorin, werde daraus kein Nachteil erwachsen, jedes angefangene Studium soll beendet werden können. Außerdem gebe es Überlegungen, in der HfÖ eine zweite Fachhochschule für Wirtschaft zu gründen, so Riedmüller. Übernommen werden auch die Charité, die Kunsthochschulen für Schauspiel, Musik und Bildende Kunst sowie die Ingenieurschule Lichtenberg, die in eine zweite Technische Fachhochschule umgewandelt werden soll. Die Übernahme dieser Institutionen heißt jedoch nicht, daß dort alle Arbeitsverhältnisse automatisch gesichert sind. Laut Einigungsvertrag können Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst gekündigt werden, wenn der Arbeitnehmer keine ausreichende Qualifikation nachweist, kein Bedarf mehr besteht oder er politisch oder moralisch belastet ist. Über Berufungen soll nach Vorstellung von Riedmüller künftig eine Expertenkommission entscheiden, in der auch Vertreter der Landesregierung sitzen sollen.

Für eine so weitreichende Beschneidung der Hochschulautonomie wäre jedoch eine Änderung des Hochschulgesetzes nötig. kd