Hoffähig gemacht

■ betr.: "Der Westen, so wie er ist" (Alain de Benoist über die Doppelzüngigkeit in der Golfkrise), taz vom 13.12.90

betr.: „Der Westen, so wie er ist“ (Alain de Benoist über die Doppelzüngigkeit in der Golfkrise),

taz vom 13.12.90

[...] Alain de Benoist als einer der „Chefdenker“ der französischen „Nouvelle Droite“ vertritt eine, Rassismus und den Führungsanspruch der Westeuropäer rechtfertigende Gesellschaftstheorie. Als westdeutsche Dependance fungiert das rechtsextremistische „Thule-Seminar“, in dessen Zeitschrift 'Elemente‘ Alain de Benoist, der eine zentrale Brückenfunktion zwischen deutschen und französischen Rechtsextremisten hat, als Autor auftritt. In der Nr.1/1986 zum Beispiel zusammen mit Autoren wie Sigrid Hunke (Chefideologin der „Deutschen Unitarier Religionsgemeinschaft“, die laut Gerichtsbeschluß von 1990 als „völkisch-rassistische Sekte“ bezeichnet werden darf) und Michael Walker (Herausgeber der militant- faschistischen englischen Zeitschrift 'The Scorpion‘, der in London einen in Italien wegen des Attentats auf den Bahnhof von Bologna — 85 Tote — gesuchten Faschisten versteckte).

In seinem Buch Heide sein vertritt Alain de Benoist ähnlich wie Sigrid Hunke ein fundamentalistisches heidnisch-germanisches Weltbild, weshalb sein Buch sogar von dem radikal faschistisch-heidnischen „Armanen-Orden“ als „europäische Glaubensalternative“ empfohlen wird.

Er sitzt außerdem im wissenschaftlichen Beirat der „Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung“, eine Organisation des militanten Rassisten Jürgen Rieger (der auch Autor — unter dem Namen Jörg Rieck — in Veröffentlichungen des „Thule-Seminars“ ist). Diese Organisation ist (beziehungsweise war) eine der Theoriezentralen des westdeutschen Neonazismus.

[...] Nun höre ich schon die Einwände: In dem Artikel in der taz ist ja von all dem nichts zu finden. Richtig, da mensch die verschämten Andeutungen gegen die „Multikultur-Verteidiger“ etc. (fast) überliest, kann sich Alain de Benoist dort als der konsequente Antiimperialist (das heißt als der wahre Linke!) profilieren! Richtig, auch Rechtsextremisten haben in ausgewählten Fragen einen scheinbar gleichen, menschlichen — und deshalb diskussionswürdigen Standpunkt. Schade nur, daß Hitler zu dem Thema Tierliebe, Stichwort: Deutscher Schäferhund, nicht mehr befragbar ist!

Mit dem Abdruck eines solchen Artikels macht ihr einen Rechtsextremisten wie Alain de Benoist hoffähig, da sicher 90 Prozent der taz-Leser den politischen Hintergrund (und die Ziele) dieser Person nicht kennen. Mit der verharmlosenden Beschreibung des Autors als einem, der aus dem linken Spektrum kommend mit dem Marxismus abgerechnet hat und heute bei der „Neuen Rechten“ ist, fördert Ihr noch seine „Diskussionsfähigkeit“!

Ihr habt scheinbar das Motto: Nicht links, nicht rechts, sondern unten! Die Frage nur, ob die taz da unten schon Boden unter den Füßen hat — oder geht's noch tiefer? K.D.Hagen, Hamburg

Ein haariges Unternehmen: Alain de Benoist spricht den allgemeinen Unmut über den „Imperialismus“ und „Ethnozentrismus“ des Westens aus. Es geschieht in der taz, unkommentiert. Wer Benoist nicht kennt oder das Kleingedruckte unter dem Artikel nicht oder nur oberflächlich gelesen hat, mag sich mit dem Autor in kritischem linkem Denken einig glauben. Mitnichten!

Alain de Benoist ist der Vordenker der französischen „Neuen Rechten“. Die Betonung liegt auf rechts, nicht auf neu, wie das besagte Kleingedruckte nahelegt. Die „Neue Rechte“ sah und sieht ihre Aufgabe keinesfalls in einer fundierten Marxismuskritik. Neu war lediglich ihre Tendenz, alte rechte Ideologien in neue Gewänder zu kleiden.

Wissenschaftlich, kritisch und intellektuell wollte man sich geben. Das Ghetto der Ewiggestrigen sollte endlich (in den Siebzigern und Achtzigern) überwunden werden. Man griff die Themen (Ökologie, Imperialismus, Medienkritik etc.) und Begrifflichkeiten der Linken auf.

Als Meister dieser Taktik erweist sich Benoist in diesem taz-Beitrag: Kuwait wird als „Kunstprodukt der britischen Kolonialverwaltung“ (treffend) charakterisiert, die „Konditionierung durch die Medien“ in „Orwellscher Tradition“ gesehen. Von der „Abdankung des kritischen Geistes“, der „Vergasung der kurdischen Bevölkerung“ und dem Selbstbestimmungsrecht der Völker ist die Rede.

Bravo! Nur, was die Rechten unter ihrem „Ethnopluralismusmodell/ Pluriversum“ verstehen, erschließt sich einer genaueren Lektüre unschwer: „Die Erzeugung von Einheitsmischungen und multiethnischen Gesellschaften, wie das Kommunisten, Marxisten, Sozialisten und die christlichen Kirchen wollen, wirkt der Evolution und ihrer Fort- und Höherentwicklung entgegen“ (Prof.Schröcke, 1984). Die sich ständig höherentwickelnde Rasse ist natürlich nicht etwa die der „Negroiden“ oder „Mongoloiden“, sondern die der „Europiden“. Die Gefährdung der „biologischen Substanz der Völker“ trifft sie besonders hart, und so muß sie sich vor der „genetischen Entartung“ schützen (Gerd Waldmann, 1973). Das führt letztendlich zum Dritten Weltkrieg, den „die USA und der europäische Kontinent gegeneinander austragen“ werden (Benoist in der taz).

In ihrem Intellektualisierungsdrang gelingen den Neuen Rechten hin und wieder so entlarvende und sinnentleerte Sätze wie der Benoists, der sich wundert, „wie die Multikulturverteidiger den Verweigerern des westlichen tribalistischen Dschungels (gemeint sind die Irakis) die Logik absprechen.“

Henning Eichberg (Benoists deutsches Pendant) eroberte Raum im 'Pflasterstrand‘, wo er seine Vorstellungen von „Nationaler Identität“ darlegen konnte, Benoist nun in der taz. Natürlich sollte die Linke sich mit neu-rechten Theoretikern auseinandersetzen. Dem kritischen Zynismus Benoists aber weder seine eigenen Grundlagen noch eine ideologische Einordnung deutlich voran- beziehungsweise gegenüberzustellen, ist nicht nur gewagt, es ist haarsträubend. S.Zöller, Hamburg

[...] Benoist ist mit dem Kommentar, er habe „die abrechnende Auseinandersetzung mit dem Marxismus geführt“, viel zu wohlwollend weggekommen. Und ist Euch nicht aufgefallen, daß Formulierungen wie „Halbwilde erteilen Unzivilisierten das Wort“ (gemünzt auf die französische Presse) und der „tribalistische Dschungel“ (über Einwanderung nach Europa) und schließlich die „Identität der Völker“, die de Benoist mit deutlich antiamerikanischem Einschlag beschwört, ganz eindeutig rassistische sind?

De Benoists anthropologisch verbrämter Rassismus ist die Essenz dessen, was der Autor zu sagen hat. Man lese es nach in den Schriften des „Thule-Seminars“, das 1980 in Kassel gegründet wurde und dieselbe politische Richtung vertritt. Es gehört zu den Ideologiezentralen der bundesdeutschen Rechten. Die Namensgebung knüpft an der 1918 gegründeten „Thule-Gesellschaft“ an, die aus dem 1912 gegründeten „Germanenorden“ hervorging, einer antisemitischen Geheimloge, dem Julius Streicher, Rudolf Heß und Alfred Rosenberg angehörten. Die „Thule-Gesellschaft“ war einer jener Männerbünde, die zum Entstehen des Nationalsozialismus beitrugen.

Die historische Beziehung zwischen Thule damals und heute wird deutlich, wenn das Thule-Seminar als pseudowissenschaftliche Genetik verbrämt rassistische Thesen verbreitet, bei denen der „Neger“ meist für den Juden steht, aber auch direkte antisemitische Stereotypen vorkommen.

Der Rassismus de Benoists und des Thule-Seminars ist die eigentliche Errungenschaft der neuen Rechten. Er grenzt nicht mehr einfach nur aus und verfällt damit nicht dem Verdikt des Antisemitismus. Er spricht vielmehr von Menschenrechten und Bewahrung der Identität der Völker. Damit ist er wieder politikfähig geworden. Auf diese Weise wird das Tabu Auschwitz aufgelöst. Rassismus führt nicht mehr zur Vernichtung, sondern er dient der Bewahrung, so die unausgesprochene These der neuen Rechten. Mit dem ausländerfeindlichen „Heidelberger Manifest“ ist diese Denkfigur ins öffentliche Bewußtsein gedrungen, die taz hat nun auch ihren Beitrag dazu geleistet, diese Form des Rassismus hoffähig zu machen. Name ist d.Red. bekannt.