„Warum ich den Befehl verweigere“

■ Ein US-Offizier will nicht am Golfkrieg teilnehmen/ „Ich werde keine anderen Menschen töten“ DOKUMENTATION

Henry Spielberger (20) ist seit zwei Jahren bei der US-Luftwaffe, ausgebildet als Offizier der Sicherheitspolizei. Sein Vater starb an den Folgen einer Verletzung, die aus dem Vietnamkrieg stammte. Die hier geäußerten Gedanken Spielbergers sind die gekürzte Fassung eines Vortrages auf einer Veranstaltung der Friedensgruppe in Bitburg.

Mein Name ist Henry Spielberger, und ich bin auf dem US-Flugplatz Bitburg in der Eifel stationiert. Ich bin ein Kriegsdienstverweigerer innerhalb der US-Luftwaffe, weil ich den Krieg in jeder Form ablehne und an keinerlei kriegerischer Aktion teilnehmen werde. Meine Entscheidung traf ich nach einem langen inneren Kampf. Ich stand im Zwiespalt, weil mich das Militär ausbildete, Menschen als Zielscheibe zu sehen, aber mein Gewissen sagte mir: Ich kann und werde nicht einen anderen Menschen töten. Zum Kriegsdienstverweigerer wurde ich nach einigen Erlebnissen, die mir zu denken gaben. So war ich in einem Ausbildungslager, um zu lernen, wie Granaten mit dem Mark19-Maschinengewehr abgefeuert werden. Als ich sah, welche Vernichtungskraft eine solche Granate hat und wieviele Menschen mit einem einzigen Schuß getötet werden können, fragte ich mich, warum ich mich nach dieser Übung so unwohl fühlte. [...] Eines Nachts war ich zusammen mit einem Freund auf Wache, und da begann ich mich wieder zu fragen: Was unterstützt du hier eigentlich, wenn du weiter beim Militär bleibst? Schließlich kam ich zu der Antwort: Ich bin hier, um zu töten, um anderen Menschen das Leben zu nehmen. An diesem Punkt sagte mir mein Gewissen, daß ich niemals töten werde. [...] Am nächsten Tag ging ich zu meinem Vorgesetzten und berichtete ihm über meinen Gewissenskonflikt. Er gab mir den Ratschlag, meine Gefühle für mich zu behalten, andernfalls könnte ich im Knast landen. Doch trotzdem sprach ich danach mit einigen Kameraden, bis meine Kommandeurin Wind von der Sache bekam. [...] Am 5. Juni 1990 stellte ich offiziell den Antrag auf Kriegsdienstverweigerung. Trotz dieses Antrags kann mir befohlen werden, an den Golf zu gehen. Ich habe mich entschieden: Wenn mein Marschbefehl an den Golf kommt, werde ich den Befehl verweigern.

Ich möchte die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit darauf lenken, daß es die Vereinigten Staaten waren, die Saddam Hussein zur Macht verholfen haben. [...] Jetzt sagt Präsident Bush, wir hätten im Golf unsere Demokratie zu verteidigen. Aber, verdammt noch mal, wie kann irgend etwas, das in einem anderen Land geschieht, Freiheit und Demokratie der Vereinigten Staaten berühren? Dann begann Bush, der amerikanischen Öffentlichkeit und der Welt zu erzählen, wir seien am Golf, weil Hussein in Kuwait einmarschiert und wie schlimm es doch sei, in ein anderes Land einzumarschieren.

Wenn das wahr ist, wie hat Präsident Bush dann befehlen können, in Panama einzumarschieren, um eine einzige Person zum Preis von 5.000 Menschenleben gefangenzunehmen? [...] Die Menschen auf diesem Planeten müssen erfahren, warum der Präsident der Vereinigten Staaten das Leben von über 300.000 Menschen riskieren will, einzig und allein für einen niedrigen Benzinpreis. Ist das menschliche Leben so wenig wert, daß man massenhaft Blut vergießen kann, damit das Benzin weiterhin 95 Cent pro Gallone kostet?

Weil ich noch immer beim Militär bin, kann ich nicht zu irgendwelchen Aktionen auffordern, weil sie mich dann wahrscheinlich ins Gefängnis stecken. Doch ich möchte zu etwas anderem auffordern: Jeder möge sich die Zeit nehmen, auch meine Kameraden beim Militär, sein Gewissen zu erforschen und sich zu fragen, ob er noch mitmachen kann. Prüft all die Geschichten, mit denen die Regierungen euch Sand in die Augen streuen wollen. Prüft euch selbst, ob ihr Regierungen unterstützen könnt, die so handeln. Und wenn du beim Militär bist und ähnliche Gefühle hast wie ich, dann sprich sie aus und laß die anderen davon wissen, denn das wird weder dich noch deine Kameraden verletzen. Übersetzung: Wolfgang Bartels