Ehrung in Temeswar

Ein Jahr nach Ceausescus Sturz findet eine Annäherung von Opposition und Regierung statt  ■ Von Erich Rathfelder

Für viele Rumänen ist die Zeit gekommen, der Toten der rumänischen Revolution zu gedenken. Als am 15. Dezember vor einem Jahr sich Hunderte von Menschen aus Protest gegen die angekündigte Festnahme und Deportierung des Pfarrers Laszlo Tökes versammelten, begann in der Banater Hauptstadt eine Aufstandsbewegung. Zwar gab es nicht Tausende von Opfern, wie es anfänglich hieß, sondern nach offiziellen Angaben „nur“ 147, aber die Spuren der Schießereien sind heute noch nicht nur an den Narben von Hunderten von Verletzten abzulesen, die Erfahrungen von damals sind im Gedächtnis geblieben und sind Antrieb zu weiteren Anstrengungen, die rumänische Gesellschaft zu demokratisieren. Zehntausende versammelten sich am Montag erneut auf dem Opernplatz von Temeswar, um einer Messe beizuwohnen, die von der orthodoxen und der ungarisch reformierten Kirche gemeinsam zelebriert wurde. Und das ist ein Umstand, der nicht mehr selbstverständlich ist in dem Land, in dem nationalistische Ausbrüche zugenommen haben. Tökes, der inzwischen zum Bischof von Oradea berufen wurde, ist wegen seiner ungarischen Herkunft von der nationalistischen rumänischen Presse sogar als Drahtzieher einer Verschwörung von ausländischen Geheimdiensten gegen Ceausescu bezichtigt worden. Als nach der Messe auf dem Heldenfriedhof ein Denkmal enthüllt wurde, hatten die Temeswarer wieder einmal ein Beispiel für das gesamte Rumänien gegeben: Es ist noch möglich, daß Ungarn und Rumänen gemeinsam für die Demokratie streiten. Bezeichnender für die jetzige Lage im Lande ist aber noch etwas anderes. Angesichts der sich ausbreitenden Mobilisierung der Bevölkerung durch die Opposition ist die regierende „Front der Nationalen Rettung“ ebenso wie Staatspräsident Iliescu mürbe geworden. Iliescu hatte am Montag in einem Gepräch mit dem Chef der liberalen Partei, Radu Campeanu, die Bereitschaft zur Zusammenarbeit erklärt. Ministerpräsident Roman sprach schon von der Bildung einer Koalitionsregierung. Es spricht allerdings für den von den Oppositionellen heftig attackierten Iliescu, daß er angesichts der gewaltigen Probleme, die mit der Durchführung der Wirtschaftsreform verbunden sind, die Opposition einbinden will.