Bündnis-90-Mitarbeiter war bei der Stasi

Bonn (taz) — Auch die Gruppe der Bundestagsabgeordneten Bündnis 90/Grüne wird von der Stasi-Vergangenheit eingeholt. Der Geschäftsführer der Volkskammerfraktion des Bündnis 90 in der ehemaligen DDR, Klaus Richter, der auch für die Geschäftsführerposition in Bonn vorgesehen war, hat für den Staatssicherheitsdienst gearbeitet. Die Vorwürfe gegen Richter waren Gegenstand einer nicht-öffentlichen Sitzung der ehemaligen Volkskammerfraktion des Bündnis 90 am vergangenen Wochenende in Berlin. Als Konsequenz verzichtet der Angeschuldigte darauf, nach Bonn zu gehen, um nach seinen eigenen Worten die künftige Arbeit der Abgeordnetengruppe nicht zu belasten.

Richter wird vorgeworfen, er habe vor Antritt seiner Tätigkeit in der Volkskammer-Fraktion seine Vergangenheit verschwiegen. Nach seinem Studium sei er 1973 ins Ministerium für Staatssicherheit eingetreten, um zum „Resident“ ausgebildet zu werden. Unter dieser Bezeichnung verstand der Stasi die Betreuung von Spionen im Auslandseinsatz.

Die Mitarbeit beim Staatssicherheitsdienst sei „in jeder Beziehung verjährt“, wehrt sich Richter gegen die Verdächtigungen. Er sei „betrübt“, daß ihn jetzt „die Vergangenheit eingeholt hat“. Bereits nach eineinhalb Jahren sei er 1975 aus persönlichen Gründen ausgeschieden und habe seitdem nie wieder Kontakt mit der Stasi gehabt. In seiner Bewerbung für die Geschäftsführung der Bündnis 90-Fraktion in der Volkskammer habe er im Frühjahr 1990 einer „vertrauten Führungsperson“ der Fraktion, die er namentlich nicht nennen wollte, seine Vergangenheit offenbart. Diese Person habe dies am vergangenen Wochenende vor der Fraktion auch bestätigt.

Der Fraktionsmitarbeiter will in der Fraktion mit seiner Geschichte „nie hinterm Berg gehalten“ haben, wenn er auf das Thema angesprochen wurde. Er wertet es aber nachträglich als „Fehler“, daß er seine Stasi-Tätigkeit nicht von Beginn an offensiv in der gesamten Volkskammer-Fraktion bekannt gemacht habe, und spricht von einer „verfahrenen Kiste“.

Richter betont, er habe bereits im November dem Beauftragten für die Stasi-Aufklärung, Gauck, von sich aus eine ausführliche Stellungnahme über seine damalige Tätigkeit übergeben.

Von ehemaligen Volkskammer- Abgeordneten und heutigen Bundestagsabgeordenten wird dagegen vertreten, Richters Stasi-Mitarbeit käme völlig überraschend für sie. Für die Grünen/Bündnis 90 ist es der zweite Fall einer Stasi-Mitarbeit. Im September hatte das Vorstandsmitglied der DDR-Grünen, Henry Schramm, der auch Bundestagskandidat war, eine jahrelange Tätigkeit als Stasi-Informant gestanden. gn