Senat hat den Kurdenerlaß heimlich aufgehoben

■ Duldung türkischer Kurden wird nicht mehr verlängert / Bremer Kurde bereits in Abschiebehaft auf dem Flughafen

Über 200 Bremer Kurden droht ab Januar Lebensgefahr: Die Duldung, mit der die Flüchtlinge bislang in Bremen Sicherheit vor Bürgerkrieg, Militärüberfällen, Verhaftung und Folter in ihrer ost-türkischen Heimat gefunden haben, wird nicht verlängert. Dafür sorgt nicht erst das neue Ausländergesetz, das am 1. Januar in Kraft tritt. Der Bremer Senat hat bereits am 22. November beschlossen, daß „bisher ausgesprochene Duldungen für Kurden nicht mehr verlängert werden“. Das bestätigte gestern der zuständige Referent im Innenressort, Hans Pleister, gegenüber der taz.

Der Senat hatte das vorzeitige Ende des Bremer „Kurdenerlasses“ jedoch im November nicht veröffentlicht. An die Presse ging dagegen lediglich der gleichzeitig gefällte Beschluß, Kurden, die des Drogenhandels verdächtigt werden, sofort abzuschieben. Getroffen wurden mit dem unveröffentlichten Beschluß jedoch gleichzeitig auch alle anderen Kurden.

„Es ist unmenschlich und skrupellos, wenn Innensenator Sakuth hier lebende Kurden nun aus Bremen verbannt, eine Verbeugung vor der CDU, die immer wieder alle Kurden als Drogenhändler diffamiert“, kommentierte Paul Tiefenbach den Senats-Beschluß. Der grüne Abgeordnete hatte sich erst Anfang 1989 mit einer Bürgerschaftsdelegation in Kurdistan über die Verflogung informieren können, die 1987 zum Bremer Kurdenerlaß führte.

Seitdem hat sich der Ausnahmezustand im türkischen Teil Kurdistans weiter verschärft. Im Sommer teilte die Türkei gegenüber der Europäischen Menschrechtskonvention sogar offiziell die Aussetzung grundlegender Menschenrechte in Kurdistan mit. Außerdem bedroht der Golfkrieg nicht nur das Leben, sondern auch die wirtschaftliche Grundlage der kurdischen Bevölkerung in der Türkei, die stark vom Handel mit dem Nachbarland Irak abhängig ist.

Die Abschiebung der über 200 geduldeten Bremer Kurden wird bereits geprobt. Seit vergangenem Freitag sitzt ein Bremer Kurde auf dem Frankfurter Flughafen in Abschiebehaft. Ihm wird keine Straftat vorgeworfen und in Zusammenhang mit Drogen haben ihn die Bremer Behörden auch nicht gebracht. Einziger Grund seiner Abschiebung, die gestern vom Bremer Verwaltungsgericht bestätigt wurde: Der kurdische Flüchtling hatte nicht die seit Oktober vom Bundesinnenminister angeordnete Wartezeit von einem halben Jahr zwischen seinem abgelehnten Asylantrag und einem neuen Asylfolgeantrag verstreichen lassen. Mit ähnlicher Begründung wurde auch die Abschiebung von zwei weiteren Bremer Kurden angeordnet.

„Nur eine Heirat kann Kurden nach Ablehnung ihrer Asylanträge künftig noch vor der Abschiebung schützen“, vermutet der Referent des Innensenators, Pleister. In Asylfragen erfahrene Anwälte sehen jedoch trotz des neuen Ausländergesetzes und der Aufhebung des Bremer Kurden- Erlasses noch weitere juristische Möglichkeiten, den Aufenthalt zumindest um einige Monate zu verlängern — und damit einige Monate Sicherheit vor der systematischen Kurdenverfolgung in der Türkei zu verschaffen. Dirk Asendorpf