»In Friedrichshain ist nicht ein einziges besetztes Haus mit Sicherheit in kommunalem Besitz«

■ Auch wenn das Haus vor dem 24. Juli besetzt wurde — bei Räumung durch Privatbesitzer gibt es kein Ersatzobjekt INTERVIEW

Nachdem die Turbulenzen um die Räumung der Mainzer Straße abgeflaut sind, sprach die taz mit dem Geschäftsführer der Wohnungsbaugesellschaft Friedrichshain (WBF), Walter Rotter, und dem Justitiar der WBF, Dietmar Batschulat, über die Zukunft der besetzten Häuser im Bezirk.

taz: Wie viele leerstehende Häuser gibt es zur Zeit in Friedrichshain?

Walter Rotter: Zu viele. Über die Zahl möchte ich keine Auskunft geben.

Warum nicht?

Rotter: Wenn ich jetzt Zahlen nennen würde, könnte das als eine indirekte Aufforderung aufgefaßt werden, weitere Häuser zu besetzen.

Mit wie vielen von den besetzten leerstehenden Häusern haben Sie bereits Kontakt, können Sie das mitteilen?

Rotter: Wir sind bisher mit 26 Häusern in Gespräche eingetreten, bei weiteren 13 finden zur Zeit Verhandlungen über einen Vorvertrag statt. Bei neun von diesen dreizehn Häusern stehen wir unmittelbar vor der Unterzeichnung des Vorvertrags — bei fünf ist der Vertrag bereits unterschrieben.

Beinhalten diese Verträge auch gleichzeitig eine Nichträumungsgarantie?

Dietmar Batschulat: Na sicher, das ist doch der Sinn dieser Vorverträge. Es wäre widersinnig, einen solchen Vertrag abzuschließen, um dann hinterher räumen zu lassen. Diese Vorverträge sollen einen ersten Schritt darstellen. Als zweites wird dann mit den Besetzern der entsprechenden Häuser — die sich dazu in Form von Vereinen einen Status als juristische Person erwerben müssen — ein Vertrag über den Ausbau und die Modernisierung des jeweiligen Objekts abgeschlossen. Sind die Bauarbeiten abgeschlossen und die Wohnungen in einen entsprechenden Zustand hergerichtet worden, erfolgt mit jedem einzelnen Mieter der Abschluß eines Mietvertrags.

Warum vergeben Sie, wie wiederholt von den Besetzern gefordert, keine Nutzungsverträge?

Batschulat: Weil wir nicht über etwas verfügen können, das uns nicht gehört. Bei den meisten Häusern in Friedrichshain ist die Eigentumslage noch immer ungeklärt. Es nutzt weder uns noch den Besetzern, wenn wir miteinander Verträge abschließen, die später von eventuellen Eigentümern angefochten werden könnten. Der Einzelmietvertrag ist auch für die Bewohner dieser Häuser das sicherste Mittel gegen Kündigungen.

Das mag bei Häusern mit unklaren Besitzverhältnissen einleuchten. Wie steht es jedoch bei Nutzungsverträgen mit Besetzern, die sich in einem Haus in kommunalem Besitz befinden?

Batschulat: So ein besetztes Haus gibt es in Friedrichshain nicht.

Nach unseren Informationen gibt es in Friedrichshain ein Haus, dessen rechtmäßiger Eigentümer bereits festgestellt ist und der es ablehnt, mit den Besetzern Verträge abzuschließen. Bieten sie diesen Besetzern ein Ersatzobjekt an?

Batschulat: Wir können hier nur versuchen zu vermitteln. Mit den Eigentümern haben wir bereits mehrere Gespräche geführt und ihnen erklärt, daß sie sich mit einer Weigerung, die Besetzer als reguläre Mieter anzuerkennen, nur selbst schaden. Schlössen sie mit ihnen Verträge ab, so könnte das Haus wieder Geld einbringen — ansonsten würde es noch lange Zeit unbewohnbar leerstehen und verfallen.

Falls die Besitzer jenes Hauses sich jedoch nicht einsichtig zeigen und die Besetzer aus dem Haus haben wollen — hätten die dann nicht auch einen Anspruch auf ein Ersatzobjekt? Schließlich war deren Besetzungsaktion bereits vor dem ominösen 24. Juli über die Bühne gegangen und somit durch die »Berliner Linie« legalisiert worden.

Batschulat: Die Berliner Linie hat die Hausbesetzungen vor dem 24. Juli nicht legalisiert. Der Magistratsbeschluß besagt lediglich, daß allen Häusern, die bis zu diesem Tag besetzt worden sind, Verhandlungen angeboten und Neubesetzungen nicht mehr zugelassen werden.

Haben die Vereine der dann ehemaligen Besetzer das Recht, bei Auszug eines ihrer Mitglieder selbst über Nachmieter zu entscheiden?

Rotter: Der Verein wird ein Vorschlagsrecht haben.

Batschulat: Wir wären schlecht beraten, dann dort jemanden gegen den Willen des Vereins unterbringen zu wollen.

Grund für die Forderung der Hausbesetzer nach einem Nutzungsvertrag war auch der Umstand, eventuell im Haus befindliche Gewerberäume für ihre Zwecke nutzen zu können.

Batschulat: In dem von uns angebotenen Vorvertrag sichern wir den Bewohnern zehn Prozent der Gesamtfläche als Gemeinschaftsfläche zu. Diese Fläche wird mit der gleichen Miete berechnet wie der Wohnraum. Darüber hinausgehende Gewerbeflächen werden natürlich auch als solche behandelt.

Rotter: Schließlich haben wir als Wohnungsbaugesellschaft auch darauf zu achten, daß entsprechende Gelder wieder hereinkommen.

Sind diese Flächen für die Gemeinschaften oder Vereine der jeweiligen Häuser denn bezahlbar?

Rotter: Wer ein Gewerbe betreibt, wird das sicherlich mit Gewinn tun. Und von diesem Gewinn wird er auch die Miete bezahlen können. Anders sieht die Sache natürlich aus, wenn der jeweilige Verein in diesen Räumen ein soziales Projekt verwirklichen will. Sagen wir mal so: Für eine Beratungsstelle für von Gewalt bedrohte Frauen oder eine Volksküche werden wir natürlich keine volle Miete erheben.

Streit gibt es seit längerem um das Haus Scharnweberstraße 28, das erst von Künstlern und später von westdeutschen Jugendlichen besetzt worden war.

Rotter: Die Künstlerinitiative »Achbach«, mit der wir seinerzeit über das Haus verhandelt hatten, ist für uns der rechtmäßige Vertragspartner. Diejenigen, die jenes Haus dann zum zweiten Mal besetzt haben, sind da illegal drin. Wir werden dafür sorgen, daß die »Achbach«-Leute das Haus bekommen.

Was wird aus den Häusern in der Mainzer Straße?

Rotter: Die werden jetzt instand gesetzt und modernisiert. Ende 1991 sollen sie bezugsfertig sein.

Es gehen Gerüchte um, daß der Westberliner Immobilienmulti Bendzko die Häuser kaufen will.

Batschulat: Davon ist uns nichts bekannt. Möglich, daß ein festgestellter Besitzer sie Herrn Bendzko angeboten hat.

Und davon wissen Sie nichts?

Batschulat: Zwischen dem Magistrat, bei dem die Eigentumsanmeldungen zusammenlaufen, und uns gibt es einen äußerst schwerfälligen Nachrichtenfluß. So ist es durchaus möglich, daß ein Besitzer schon gefunden ist, von dem wir nichts wissen. Und was der dann macht, ist natürlich seine Sache. Interview: Olaf Kampmann