Neue Wege bei der Hausbesetzerfrage in Friedrichshain

■ Auf Bezirksebene wird jetzt eine Projektgruppe mit Besetzern, Kommunalpolitikern und der Wohnungsbaugesellschaft WBF eingerichtet/ Doch bei der ersten Sitzung fehlte die WBF/ »Stattbau«-Beraterin Eichstädt gibt den Besetzern eine Menge Tips: Auf Option für Nutzungsverträge bestehen!

Friedrichshain. In Friedrichshain wird jetzt auf Bezirksebene eine Projektgruppe eingerichtet, die für Hausbesetzer- und Verhandlungsfragen zuständig ist. Das hat die dortige Bezirksverordnetenversammlung (BVV) beschlossen. Die Gruppe soll mit zwei Vertretern von seiten der Besetzer und der Wohnungsbaugesellschaft Friedrichshain (WBF) sowie mit Bezirksverordneten aller Parteien nebst Bezirksbürgermeister Helios Mendiburu (SPD) bestückt sein und unter der Leitung des Jugendpfarrers Hülsemann in regelmäßigen Abständen im Rathaus Friedrichshain zusammenkommen. Die Gruppe tagte am vergangenen Freitag abend zum zweiten Mal — allerdings nicht so, wie es sich die BVV vorgestellt hatte: Die Besetzer kamen zu zehnt und die WBF gar nicht. Letztere war nicht erschienen, weil die Besetzer darauf bestehen, daß die Sitzung für alle öffentlich sein muß. Die WBF will aber auf keinen Fall öffentliche Vertragsgespräche führen. »Es handelt sich um eine politische Veranstaltung, dabei kommt nichts raus«, kommentierte WBF-Justitiar Batschulat die Begründung gegenüber der taz.

Die eigentlichen Vertragsverhandlungen werden ohnehin nur in kleiner Runde zwischen den einzelnen besetzten Häusern und der WBF geführt. Pfarrer Hülsemann und der Bezirksverordnete von Bündnis 90/Grüne Kranz nehmen als Vermittler teil. Das größte Hindernis ist nach wie vor die ungeklärte Eigentumsfrage, weshalb die WBF nur Einzelmietverträge mit den Besetzern abschließen will. Darüber hinaus hat sich die WBF jedoch in einem der taz vorliegenden Vorvertragsentwurf über den Abschluß von Einzelmietverträgen und die bauliche Selbsthilfe bereit erklärt, mit den Besetzern langfristige Nutzungsverträge — wie zum Bespiel einen Erbbaurechtsvertrag — abzuschließen. Die Bedingung für den Abschluß langfristiger Nutzungsverträge ist laut Vorvertrag, daß »die WBF unstrittig Eigentümer des Grundstücks ist und eine Rückübertragung an Dritte eindeutig ausgeschlossen werden kann«.

Die von der AL nominierte ehemalige Kreuzberger Baustadträtin Franziska Eichstädt, die inzwischen wieder beim alternativen Sanierungsträger »Stattbau« tätig ist, war am vergangenen Freitag Gast bei der erweiterten Projektgruppe, um den Vorvertragsentwurf der WBF zu begutachten. Eichstädt war der Meinung, der Vorvertrag müsse in einigen Punkten juristisch klarer gefaßt werden. Sie empfahl den Besetzern, beim Abschluß des Vorvertrags auf eine Nichträumungsgarantie und auf den schnellstmöglichen Abschluß von Einzelmietverträgen mit der obengenannten Option auf langfristige Nutzungsverträge zu bestehen. Außerdem müsse dem jeweiligen Hausverein der Besetzer das Vorschlagsrecht für die Belegung freiwerdender Wohnungen zugestanden werden. Des weiteren legte Eichstädt den Besetzern ans Herz, von sich aus die anstehenden Baumaßnahmen aufzulisten und Vorstellungen über die Ausführung zu entwickeln. In der abschließenden Diskussion wurde festgestellt, daß die WBF und Besetzer beim Bausenat auf Förderungszusagen drängen müssen. Das sei deshalb so wichtig, weil sich die WBF in dem Vorvertrag das Hintertürchen offen hält, daß »die Wirksamkeit dieses Vertrages [...] von den Förderungszusagen abhängig« ist. — Eichstädt schätzt, daß sich ein Hinauszögern der Vertragsabschlüsse negativ für die Besetzer auswirken könne. Im Vergleich zu den Hausbesetzungen 1980/81 in West- Berlin sei die Chance, zu einer breiten politischen Bewegung zu werden, jetzt sehr gering, auch wenn es genausoviel Leerstand gebe wie damals. Der Grund: Die Stadt habe mit zuviel anderen Problemen zu kämpfen. Die Gefahr, »nach ein paar Monaten Aufruhr ganz schnell zum Verlierer« zu werden, hielt Eichstädt für sehr groß. Ihre Empfehlung: »Sichert lieber eure Häuser ab, und versucht euch als Gruppe politisch einzumischen.« Plutonia Plarre