Bischof setzt sich für Roma ein

■ Auch katholische Kirche will Gemeinden bitten, Kirchenasyl zu gewähren/ FDP-Fraktionsvorsitzende von Braun, AL und SPD verlangen Abschiebemoratorium/ Heute tagt Härtefallkommission

Berlin. In einem Brief hat der evangelische Landesbischof Kruse an den amtierenden Bürgermeister Momper und dessen designierten Nachfolger appelliert, vorerst keine Roma nach Jugoslawien und Rumänien abzuschieben. Kruse bat um ein »Abschiebemoratorium«, bis sich der neue Senat konstituiert hat, mit dem man dann über das Aufenthaltsrecht der Roma in Berlin verhandeln will. Nach Auffassung der FDP-Fraktionsvorsitzenden Carola von Braun müsse eine Abschiebung von Roma- Flüchtlingen »in diesen Tagen« in jedem Fall verhindert werden, da sie in ihren Heimatländern Rumänien und Jugoslawien mißhandelt werden. Die Forderung des evangelischen Landesbischofs nach einem vorläufigen Abschiebestopp unterstützten gestern auch der ausländerpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Barthel, sowie der katholische Bischof von Berlin, Sterzinsky. Nach den Worten des Pressesprechers des Bistums, Hanky, wolle man die Gemeinden bitten, den Flüchtlingen Kirchenasyl zu gewähren. Die AL und auch der Flüchtlingsrat Berlin hatten sich bereits mehrfach gegen Abschiebung ausgesprochen.

Von der Abschiebung akut bedroht sind nach Informationen des Ausländerbeauftragten der evangelischen Kirche, Hanns Thomä-Venske, mindestens vier Familien mit Kindern — darunter auch der 30jährige Ferhat S., seine Frau Dinka und deren fünf Kinder. Die Asylanträge der Betroffenen sind bereits abgelehnt. Daß Roma in Jugoslawien mit Diskriminierungen zu rechnen haben, konstatierte in seinem Bescheid auch das Bundesamt für die Anerkennung politisch Verfolgter. Aber: Ferhat S. und seine Familie würden darunter nicht mehr leiden als andere Roma auch. Schwierigkeiten mit der jugoslawischen Miliz seien zudem kein Asylgrund. S. war mehrfach von der Miliz gefoltert worden und leidet heute noch unter schweren Nierenschäden und Gedächtnisstörungen, die durch Schläge auf den Kopf verursacht worden sind.

Die Mißhandlung des Ferhat S. ist — und da hat das Bundesamt durchaus recht — nicht untypisch für den Alltag der Roma in Jugoslawien. Detaillierten Berichten und Dokumentationen von Kirchenorganisationen, Flüchtlingsräten und vor allem der »Gesellschaft für bedrohte Völker« (GfbV) zufolge werden die Roma sowohl auf staatlicher wie auf gesellschaftlicher Ebene verfolgt, die Kinder in der Schule geschlagen und verspottet, die Erwachsenen auf der Straße willkürlich attackiert, von Polizisten oder Privatpersonen. Staatliche Sanktionen für solche Übergriffe muß niemand fürchten. Im Gegenteil: Die systematische Entrechtung durch die Behörden entzieht den Roma jede Existenzgrundlage. Der Gewerbeschein für ihren Handel, oft die einzige Einkommensmöglichkeit, wird ihnen verweigert. In den größeren Städten leben die Roma meist zusammengepfercht in den »Zigeunervierteln«, den »ciganski mahalas« — ohne Strom, Kanalisation und fließend Wasser.

Nach seiner Ansicht, so Ferhat S., habe er nur das getan, was sie von jedem anderen verantwortlichen Elternpaar auch erwarten würden: sich und die Kinder in Sicherheit zu bringen. »Was würden Sie denn machen, wenn Sie einen Tag was zu essen haben — und die nächsten beiden wieder nichts?« Sein Fall wird heute vor der Härtefallkommission des Senats verhandelt. anb