piwik no script img

Das Hirn des Boxers

■ „Rocky V“ — Menschen, Tiere, Sensationen!

Als Sylvester Stallones Körper noch nicht mit Muskelgebirgen übersät war, verdiente er sein Geld mit dem Unterleib. Er zeigte dem Publikum der Schmuddelkinos, was man mit selbigem alles anstellen kann. Doch der angehende Porno-Prinz wollte auch die Regionen nördlich des Bauchnabels als schauspielerisches Ausdrucksmittel nutzen. Also fing er an, Eisen zu pumpen, und alsbald wurde aus dem kleinen Rammler der „italienische Hengst“ Rocky Balboa.

Nachdem Stallone das Drehbuch zu Rocky geschrieben hatte, ging er bei den Produktionsfirmen Klinken putzen, bis er eine gefunden hatte, die die Geschichte und ihn als Hauptdarsteller akzeptierte. Der Film wurde ein weltweiter Erfolg, Stallone bekam für seine Rolle den Oscar. Das machte Rocky II unvermeidbar. Nach Rocky III versprach Stallone aufzuhören. Rocky IV war an Dummheit kaum noch zu überbieten, spielte aber immer noch einen dreistelligen Millionen-Dollar-Profit ein, also wurde auch noch Rocky V abgedreht.

Der neue Rocky fängt da an, wo der alte aufhört: Der italienische Ami-Hengst hat soeben dem russischen Schläger Drago in Moskau ordentlich die Fresse poliert und fliegt zurück in die Heimat. Weil er sich ein wenig seltsam fühlt, nervt seine Frau Adrian (Talia Shire) so lange rum, bis Rocky einen Arzt aufsucht. Der Doktor stellt fest, daß es im Boxerschädel ziemlich matschig aussieht. Noch ein, zwei Schläge auf die weichgekloppte Birne und die Lichter gehen endgültig aus. Dann folgt der nächste Schock: Rocky ist pleite. Sein Vermögensberater hat all das schöne Geld verjubelt. Also ist erstmal Sense mit Macho-Sport und Luxus. Rocky zieht mit Frau und Rocky Jr. (Sage Stallone) wieder in sein altes Elendsquartier in South Philadelphia. Dort schmeißt sich kurze Zeit später der Nachwuchsschläger Tommy „Machine“ Gunn (Tommy Morrison) an Rocky ran. Der Mann ist gebaut wie eine Gefriertruhe, aber nur halb so intelligent, das prädestiniert ihn für den Ring. Also fängt Rocky an, ihm beizubringen, wie man sich profimäßig prügelt.

Wie immer bei Rocky geht es darum, die physische Kraft über den Intellekt zu stellen. Körperliche Kraft, sprich Gewalt, auch wenn sie in bestimmte Regeln gezwängt wird, löst hier alle Probleme. Nicht Bildung bringt Rocky aus der Gosse, sondern sein durchtrainierter Körper; die Fäuste verschaffen ihm Reichtum und Ansehen. Besonders deutlich wird das in Rocky V in einer Szene, in der Stallones (echter) Sohn jammert, daß man ihn in der Schule verhauen hätte. Der Onkel empfiehlt einen Baseballschläger, um den anderen Kids die Zähne einzuschlagen. Papa empfiehlt Boxtraining. Am Schluß des Films hat Sohnemann sich schließlich zum Chef der Jugendbande hochgeprügelt.

Wie man hört, ist Mr. Stallone in letzter Zeit eifrig bemüht, sein „Viel- Muskeln-wenig-Hirn“-Image loszuwerden. So räumte er kürzlich in einem Interview sogar ein, daß Martin Scorseses Raging Bull „vermutlich eine realistischere Boxergeschichte“ als Rocky sei. Auch Rambo soll sich ändern. Für den vierten Teil war zunächst vorgesehen, John Rambo in Südamerika Drogendealer niedermetzeln oder Nicaragua befreien zu lassen. Jetzt soll der Einzelkämpfer den Regenwald retten.

Da paßt es Stallone natürlich überhaupt nicht in den Kram, daß seine alten Hardcore-Pornos gerade eine Renaissance erleben. Er hat zwar schon des öfteren versucht, seine Jugendsünden aufzukaufen, aber vergebens. Die Schmuddelfilmchen, inzwischen mit neuen Covern, die denen der Rocky- und Rambo-Streifen nachempfunden sind und neuen Titeln (Bocky — Ein Mann steckt einen weg!) ausgestattet, sind zur Zeit der Renner in den Videotheken. Karl Wegmann

John G. Avildsen: Rocky V , mit Sylvester Stallone, Talia Shire, Burt Young, Sage Stallone u.a.; USA 1990

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen