Visaitis

■ Von der Pinnwand der taz-KorrespondentInnen

„Sie können ja“, sagt der Mensch an der Pforte der Via Nomentana 120 freundlich, „nächste Woche nochmal vorbeischauen, vielleicht...“ Die drei Punkte kennt jeder, der in Rom Korrespondent ist: Auch nächste Woche wird der Besuch umsonst sein.

Es geht um ein Stück Papier, ein Visum. Die letzte Festung des Kommunismus soll ja nun endgültig fallen, Albanien, und da bieten sich vor allem in Italien stationierte Schreiber als Schnellstarter an. Dafür spricht nicht nur die räumliche Nähe, sondern auch, daß das Land besondere Affinität zum Nachbarn auf dem Balkan hat: In Unteritalien leben mehrere hunderttausend Albaner. Das sind zwar nur Nachfahren vor einem halben Jahrtausend aus dem Land der Skipetaren vor den Türken ausgebüchster Christen; doch die kompakte Minderheit hat die Verbindungen zur alten Heimat nicht abreißen lassen, pflegt Sprache und alte Bräuche und ist immer auf dem Laufenden, wenn sich in der alten Heimat etwas ändert.

Doch auch die Italo-Albaner bedauern, daß sie uns derzeit nicht helfen, ja nicht einmal Berichte der Ihren anfordern können. So wird tägliche Anruferinnerung an der Pinnwand langsam zum Alptraum, zumal sich das Klima nicht verbessert, im Gegenteil: „Wir haben“, so der sonst so freundliche Botschaftsmensch am vergangenen Montag unwirsch, „derzeit eher Gegenverkehr. Unsere Regierung hat soeben mehrere Journalisten ausgewiesen.“ Warum, weiß er auch nicht. Jedenfalls nimmt er es als Zeichen, daß dann auch keiner hineinkommt.

Das ist in der Via della Camilluccia derzeit ganz anders: „Visum?“ fragt der Türsteher fast so, als gäbe es hier, bei der Vertretung des Irak, gar nichts anderes. In Roms Zentrum verstellen einem alle paar Meter freundliche bärtige Männer und lächelnde Frauen den Weg, die um eine Unterschrift — zwecks Vorlage bei den Regierungen mit Adressenangabe — auf Listen mit Friedensappellen ersuchen.

Das unterschreibt man doch gerne. Und handelt sich damit ein wahres Bombardement von Einladungen für alle möglichen Werbeveranstaltungen zugunsten der „gerechten irakischen Sache“ ein. Wenn gewünscht, kann auch ein Besuch vor Ort organisiert werden.

Warum, so ringt sich die Frage aus gequälter Korrespondentenbrust los, kann einem das nicht mal mit Albanern passieren? Werner Raith