Warum der Pazifismus verloren hat

■ Zusammenbruch unseres ideologischen Horizonts EUROFACETTEN

Am Anfang, nach Kriegsende, waren sich alle einig: In die Verfassungen der europäischen Länder muß hinein, daß es nie wieder Krieg geben dürfe, daß Krieg nie wieder ein Instrument zur Lösung irgendwelcher Fragen sein dürfe. Der Pazifismus war in Europa nicht nur zur Flagge, er war zur Kultur geworden.

Doch nun hat ein „Hüpfer“ Saddam Husseins nach Kuwait genügt, und unser gesamtes intellektuelles Innenleben ist auf den Kopf gestellt.

Das kann man nun auf verschiedene Weise erklären. Etwa indem man sagt, der irakische Diktator sei schlimmer als Hitler. Oder daß alle Staaten der Welt mehr oder minder einig darüber seien, daß man ihn zurückpfeifen muß, weil man einen derartigen Bruch des Völkerrechts nicht zulassen darf. Da man das in anderen Fällen jedoch nicht ebenso getan hat, muß man wohl dem Erdöl einen Anteil an der Verkehrung der Einstellung zuschreiben.

Dennoch muß man wohl die Akzeptanz eines möglichen Kriegsszenarios inmitten einer ostentantiv pazifistischen Kultur anders erklären. Die Wende um 180 Grad ist Teil des historischen Zusammenbruchs unseres modernen ideologischen Horizontes. Es wäre geradezu unlogisch, wenn der Pazifismus den Kollaps all der Erwartungen überlebt hätte, die wir in eine bessere und gerechtere Welt gesetzt hatten.

Tatsächlich betrifft der Kollaps ja alles um uns herum: nicht nur den Sozialismus mit seinen Verheißungen, und auch nicht nur den Pazifismus. Erwischt hat es zum Beipspiel, wir merken es leider nur erst ganz allmählich, auch die Ökologie, die Erfolge, die die Umweltschutzbewegungen in den letzten zehn Jahren erreicht haben. Der Untergang der deutschen Grünen gehört daher konsequenterweise genauso in das neue Bild wie der Zusammenbruch des Pazifismus. Sergio Quinzio

Der Autor ist Philosoph und Schriftsteller und hat sich vor allem mit Themen der Religionen und Ideologien befaßt (La fede sepolta (Der begrabene Glaube).