EUROFACETTEN
: Der Euro-Optimismusblüht allerorten

■ Aber wer weiß schon, wohin die Reise geht?

Er scheint fast alle erwischt zu haben, der Euro-Optimismus: nicht nur die Regierungen der zwölf Mitgliedstaaten der EG, sondern auch die einer wachsenden Anzahl anderer europäischer Länder. Der Osten sieht Brüssel als den hauptsächlichen Bezugspunkt für den Postkommunismus, die UdSSR erwartet Hilfen, Länder wie Österreich oder Schweden klopfen an. Zwischen dem sozialistischen französischen Präsidenten und dem christdemokratischen deutschen Kanzler Kohl scheint es kaum Differenzen über den Bau des neuen Europa zu geben, und Opposition findet in keinem der Länder statt.

Was jedoch besonders überrascht ist, daß alle dieses Europa unterstützen und niemand fragt wie diese Vereinigung geschieht. Dieses Europa, das Reichtum belohnt, an den Markt glaubt, gibt sich populistisch, indem es große Worte über eine Sozialcharta von sich gibt — doch seit man sie vor einem Jahr (zu elft, England war noch dagegen) verabschiedet hat, wurde nichts mehr davon gehört, von Arbeiterrechten spricht weiterhin niemand. Dieses Europa, das glaubt, daß es schon zuviel für den Süden der Erde getan hat, indem es ein paar Zugeständnisse an ein paar der ärmsten Länder gemacht hat, schottet sich jeder neuen Immigration gegenüber total ab. Und doch sieht es sich als den einzigen Weg für die Zukunft.

Der römische Gipfel hat nun Konferenzen zu politischen und monetären Vereinigung eingerichtet. Doch warum gelingt der EG nicht, sich von den USA in der Golffrage wirklich abzusetzen? Durchgefallen ist zum Beispiel der französische Vorschlag, Saddam Hussein für den Fall eines Rückzugs aus Kuwait grundsätzliche Nichtangriffsgarantien zu geben. Durchgefallen auch der Vorschlag, bei den Vereinten Nationen einen formellen Beschluß über die Notwendigkeit einer internationalen Mittelmeerkonferenz zu verlangen.

Die Vereinigungspapiere sehen die Übertragung von allerlei bisher nationalen Rechten auf die Organe der Gemeinschaft vor. Doch noch keiner hat bisher gesagt, wie diese Organe denn aussehen sollen. Und vor allem fehlt noch alles, was festlegt, wie die Europabürger Einfluß auf grundlegende Entscheidungen nehmen sollen. Und damit ist nicht nur die Währungspolitik gemeint, sondern zum Beispiel auch die Frage über Krieg und Frieden. Anna Maria Merlo

Die Autorin ist Frankreich-Korrespondentin von 'il manifesto‘.