Zuviel Leerlauf in der Schule

■ Kultusminister, LehrerInnenorganisationen und SchülerInnen über verkürzte Schulzeit uneins

Berlin (taz) — Die Vorstellungen der Bonner Koalition, die Schulzeit in ganz Deutschland zu senken, haben die Kultusminister der Länder und die Berufsverbände der LehrerInnenschaft auf den Plan gerufen. Die Union und die FDP hatten sich bei ihren Koalitionsverhandlungen darauf geeinigt, daß es in den fünf neuen Bundesländern wie bisher bei zwölf Schuljahren bleiben, die Schulzeit an den Gymnasien der alten Länder dagegen um ein Jahr gekürzt werden soll.

Die Kultus- und Wissenschaftsminister der CDU/CSU haben sich gestern darauf geeinigt, daß es in Zukunft in allen Bundesländern sowohl einen neun- als auch einen achtjährigen Weg zum Abitur geben kann. Der Deutsche Philologenverband, Standesorganisation der GymnasiallehrerInnen, lehnt die Bonner Vorstellungen aus naheliegenden Gründen ab.

Der Präsident des Verbandes, Bernhard Fluck, fordert statt dessen, daß sich die Schulzeit der neuen Länder an die der alten anpassen müsse. Fluck warnte die Bonner Politiker davor, in die Kulturhoheit der Bundesländer einzugreifen. Schließlich liegt die Festlegung der Schulzeit immer noch in der Kompetenz der Länder und nicht des Bundes. Der Philologenverband wies in einer Stellungnahme darauf hin, daß die überwiegende Zahl der GymnasiastInnen und deren Eltern gegen eine Verkürzung seien, weil sie dadurch zuviel Streß bei den SchülerInnen fürchteten. Für bildungspolitisch wenig sinnvoll hält die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) die Bonner Vorstellungen. Vernünftiger wäre es, die Rahmenlehrpläne der allgemeinbildenden Schulen generell zu überarbeiten. Ziel müsse es sein, die SchülerInnen besser auf das Berufsleben vorzubereiten.

Für eine Verkürzung der Schulzeit auf zwölf Jahre ist hingegen der Deutsche Lehrerverband (DL). Sie sei „europa- und deutschlandpolitisch geboten“, sagte DL-Präsident Josef Kraus. Der Fremdsprachenunterricht müsse dann bereits in der Grundschule beginnen und der Zugang zum Gymnasium an anspruchsvollere Leistungskriterien gekoppelt werden. Einen Abbau von Lehrkräften lasse eine verkürzte Schulzeit nicht zu, betonte Kraus. Vielmehr müsse der Unterricht in verkleinerten Klassen intensiviert werden.

„13 Jahre bis zum Abitur sind zuviel, weil sich auf der Uni bald herausstellt, wieviel unnötiger Mist in der Schule gelernt wird“, kommentierte Simone Navissi, Mitglied im LandesschülerInnenausschuß von Berlin, die Koalitionspläne gegenüber der taz. Mit veränderten Schulrahmenplänen sei das notwendige Pensum ohne größeren Streß auch in 12 Jahren zu schaffen. Viele SchülerInnen stöhnten über den veralteten Stoff, den Leerlauf in der Schule und wünschten eine größere Orientierung auf das Studium hin. Uhe