Erweiterter Gruppenstatus für Bündnis 90

Zunächst keine Klage/ Bei Mandatsverteilung ist Gang nach Karlsruhe nicht ausgeschlossen  ■ Aus Berlin Beate Seel

Die neuen Abgeordneten von Bündnis 90/Grüne werden heute nicht vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, um den Fraktionsstatus im neuen Bundestag einzuklagen. Die Koalition verweigert zwar den acht Abgeordneten der Bürgerbewegungen und den 17 der PDS diesen Status, der laut Geschäftsordnung erst bei 34 liegt. Aber den beiden Gruppen sollen bessere Arbeitsbedingungen zugestanden werden: Sie können beratende Mitglieder in die verschiedenen Gremien des Bundestages schicken, ihre Arbeitsbedingungen und die finanzielle und personelle Ausstattung sollen den Fraktionen gleichgestellt werden. Mit diesem verbesserten Gruppenstatus können sich die Abgeordeten von Bündnis 90/Grüne anfreunden. „Um den Namen streiten wir uns nicht“, kommentierte Wolfgang Ullmann von Demokratie Jetzt einen entsprechenden Beschluß der Gruppe. In der PDS sieht man das ähnlich.

Hintergrund der seltsamen Regelung sind offenbar auch Befürchtungen in der Reihen der CDU, eigene Abgeordnete könnten auf den Gedanken kommen, sich selbständig zu machen, beispielsweise ehemalige Mitglieder der Ost-CDU oder Angehörige der Vertriebenenverbände.

In der Frage der Mandatsverteilung kann es allerdings noch zu einem Gang nach Karlsruhe kommen: Ungeachtet der unterschiedlichen Sperrklauseln in Ost und West wurde die Mandatsverteilung nicht für beide Wahlgebiete getrennt berechnet, sondern aufgrund der Gesamtzahl der abgegebenen Stimmen. Kathrin Menge, ehemaliges Mitglied der Arbeitsgruppe Wahlgesetz des Runden Tisches und der Wahlkommission der DDR, weist darauf hin, daß wegen dieser Berechnungweise und der geringeren Wahlbeteiligung in den ostdeutschen Ländern nun keineswegs 144 Angeordnete aus der ehemaligen DDR in den Bundestag einziehen — soviele wurden bei der Vereinigung kooptiert —, sondern nur 132. Im Falle eines positiven Entscheids des Bundesverfassungsgerichts würde die FDP beispielsweise drei Abgeordnete aus dem Westen verlieren und zwei aus dem Osten dazugewinnen. Die PDS könnte ihre Reihen mit zwei Abgeordneten, das Bündnis 90 mit einem aufstocken.

Für Ullmann ist der Berechnungsmodus bei der Mandatsverteilung durchaus ein möglicher Anlaß für eine Verfassungsklage: „Die Frage ist: Sind bei der Mandatsverteilung die richtigen Schlüsse gezogen worden oder wurden die ehemaligen DDR-Bürger betrogen?“ Auf einer gestrigen Sitzung der Abgeordneten von Bündnis 90/Grüne wurde zunächst von einer Klage abgesehen. Erst sollen die juristischen Möglichkeiten geprüft werden. Die Abgeordneten haben nach Artikel 48 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht auch vier Wochen Zeit, sich entsprechende Schritte zu überlegen. Beschwerde einlegen kann ein Abgeordneter, dessen Mitgliedschaft bestritten ist — im vorliegenden Fall also einer der betroffenen Listenkandidaten aus der Ex-DDR. Auch eine Minderheit des Bundestages kann dies tun, wenn sie wenigstens ein Zehntel der Mitgliederzahl, also 65, umfaßt. Bleibt noch die dritte Möglichkeit: Beschwerdeberechtigt ist auch ein Wahlberechtigter, wenn ihm mindestens einhundert Wahlberechtigte beitreten und sein Einspruch vom Bundestag verworfen wurde. So wäre dies für das Bündnis die einfachste Möglichkeit.