Abschaffung des 175er: Geteiltes Recht als Hebel

Berlin (taz) — Der Paragraph 175 wird abgeschafft. Das erklärte FDP- Generalsekretärin Schmalz-Jacobsen am Mittwoch nach den Koalitionsverhandlungen — quasi in einem Nebensatz. Allerdings werde gleichzeitig eine einheitliche Schutzaltersgrenze für Mädchen und Jungen von 16 Jahren eingeführt. Die neue Regelung solle sich am alten DDR-Recht orientieren.

Wie Schmalz-Jacobsen gestern der taz erklärte, sei „zweierlei Recht in Deutschland eine günstige Grundlage“ für die Abschaffung des Paragraphen 175 gewesen (momentan gilt das „Tatort-Prinzip“, weil die DDR das Sonderrecht für Schwule 1988 abgeschafft hat). Voraussetzung sei aber das einheitliche Schutzalter gewesen. Von einer „Hebelwirkung“ des geteilten Rechts sprach ihr Kollege Ex-Innenminister Gerhard Baum. Er habe gedacht, in der Koalitionsarbeitsgruppe „wieder an einsamer Front kämpfen“ zu müssen. Die Haltung der CDU/CSU sei für ihn eine „Überraschung“ gewesen: „Bei Schmidt wurde 1980 wegen des 175ers die Koalitionsrunde unterbrochen.“ Baum betonte, daß das Bonner Justizministerium „eine wichtige Rolle“ gespielt habe. Noch- Justizminister Hans Engelhard (FDP) wollte über den Einfluß der Ost-CDU im Prozeß des christlichen Gesinnungswandels „nicht spekulieren“.

Carl-Dieter Spranger (CSU), parlamentarischer Staatssekretär für Inneres und für die CSU in der Innen- und Justizrunde der Koalition, erklärte, daß der 175er nun „in vernünftiger Weise modifiziert“ werde. Die jetzige Lösung sei für die CSU „akzeptabel“, das Thema sei „kein größerer Streitpunkt“ gewesen.

Der Leipziger Schwulenverband in Deutschland und die Deutsche Aids-Hilfe begrüßten, daß „der Paragraph 175 120 Jahre nach seiner Einführung in das Strafgesetzbuch“ endlich falle. Kritisiert wurde die neue einheitliche Schutzaltersgrenze. Sie bedrohe „selbstbestimmte Sexualbeziehungen mit Strafe“. Eine Verpflichtung der Behörden zur Ermittlung („Offizialdelikt“) wie vorgesehen dürfe nicht sein. kotte