Schwules Silvester

■ Same procedure as every weekend

Silvester ist der Tag der Zukunftsprognosen und der guten Vorsätze, die nähere Zukunft der Schwulen zumindest ist leicht zu bestimmen: Schwul sitzt am 31. in seinem Lieblingsetablissement, begießt sich mit Sekt und zieht im Morgengrauen mit dem Nächstbesten nach Hause. Irreführende schwule Assoziationen erweckt dabei die deutsche Übersetzung des lateinischen Wortes Silvester, »zum Wald gehörig«: Um nämlich am Silvesterabend zu den einschlägigen Treffpunkten im Grunewald und Tiergarten zu ziehen, ist es einfach zu kalt. Somit bumsen am 31. Dezember wirklich nur die Heteros im Freien, und zwar mit ihren Knallern. Schwul bleibt — the same procedure as every weekend — in seinen Kneipen, Clubs und Bars. Dort hat man neben Luftschlangen zusätzliche Überraschungen vorbereitet: Im WuWu beispielsweise gibt's Feuerwerk und Canapés, das Sofa im Café Anal dagegen hat man wegen eines obdachlosen Stammgastes längst wieder entfernt.

Liebhaber der Nostalgie mögen sich zur Party des Sonntagsclubs in den anregenden Räumlichkeiten des Weißenseer Jugendclubs einfinden. Falsch liegt, wer im Jugendclub auf jüngeres Publikum hofft: Frischfleisch bietet einzig und allein die Warme-Winter-Fete in der AHA. Wie jedes Jahr hat die AHA im Rahmen ihres Entwicklungshilfeprogramms Jugendliche aus anderen Bundesländern nach Berlin geladen. Heiß hergehen wird es nicht zuletzt auf der Silvesterparty in der Apollo-Sauna, wo man sicher nicht nur Blei vergießt. Was nun die guten Silvester-Vorsätze betrifft: Ich zumindest habe vor, mir einen Prenzlberger anzulachen. Das hätte nämlich den Vorteil, auf dem Nachhauseweg ein Katerfrühstück zu erlangen. Während mein Kater im heimeligen Charlottenburg sich erst danach wieder aus seinem Versteck hervortraut, kriechen mein Prenzlberger und ich — bevor ins Bett — noch in die Altberliner Bierstuben oder ins Café am Senefelder Platz. Micha Schulze