Love Bomb, Cockroaches und Asexuals

■ Schatztruhe diverser Musikverknorpelungen

So steh'n sie da und grinsen breit — wahrscheinlich aus überschäumender Freude über das gelungene Unternehmen »Dish«, ihrer dritten und aktuellen LP. Die Asexuals spielen Sonnenscheinpopmusik mit Bläsersätzen so schmetternd-fröhlich wie eine Café au Lait mit Croissant am frühen Morgen, Gitarrenklänge wie mildes Meeresrauschen im wohlfeil kolorierten Hintergrund. Sparsam inszenierte Krachattacken der Rhythmusgruppe — man war schließlich jahrlang die angesagte Live-Verwüstungskapelle in Montreal — fügen sich fließend ein, gehören zum Szenario wie knirschender Strandsand in der nassen Badehose.

Fehlt zum Glück nur das Glück, ein Freund, ein guter Freund. Und Freunde sind sie allemiteinand, nachdem erst einmal John Kastner (zur Gründung der Doughboys) wegen diverser Querelen die Band 1986 verlassen hatte. Man wächst sich so zusammen, schwitzt, rauft und veträgt sich miteinander, bildet nach vier Jahren Intensivtouring durch Nordamerika eine sozusagen homogene Masse. Ist zum Verrecken aufeinander eingespielt, weiß schon drei Proben vorher, welches Riff der Bassist vorzuspielen gedenkt und hat den Text auch schon fertig in der Schublade.

Noch haben sie ihre Hardcore-Wurzeln nicht gänzlich eliminiert, sorgen Akkordfolge, Gitarrensoli und kratzig-rauchiger Gesang in diesem recht braven Mainstreampoppourrie für leider viel zu seltene Spannungsmomente. Zeit der reife, Zeit der Steife im Ex.

Das K.O.B. hingegen bietet das genaue Gegenteil. Love Bomb aus Berlin sind jung, forsch, lebendig und schrill. Sie greifen tief in die Schatztruhe diverser kruder Musikverknorpelungen der letzten anderthalb Dekaden, geben sich peinlich bis verzerrt und haben anscheinend Spaß daran, sowohl sich selbst gegenseitig als auch das wohlwollende Publikum zu verwirren und aus dem Takt zu bringen.

In dem Bemühen, Herangehensweise und Intention der vier Akteure zu skizzieren, verliert sich der Editor des sechzehnseitigen, liebevoll und aufwendig illustrierten Info- Buches zur Gruppe denn auch verständlicherweise irgendwo in den nebulösen Gefilden der allgemeingültigen Bildersprache. Notgedrungen übt er sich im Verfassen von Romanen über das Leben der MusikerInnen, tut sich seitenweise schwer, die Musik treffend zu beschreiben, kurz und gut: Love Bomb hören sich »ziemlich geil« an.

Insgesamt zeugen Tape und Info von einer geballte Portion abwegigen Humors und dem Willen, im Jahrzehnt der Hardcoreimitationenkapellen irgendwie aufzufallen, wozu die aufsässig-gruftige Stimme von Tina noch den größten und erwähnenswertesten Teil beiträgt. Schließlich und endlich hat selbst Siouxie Sioux auch mal klein angefangen, und die konnte damals noch nicht mal richtig singen...

Die zweite Kapelle dieses Abends stammt ebenfalls aus Berlin: Die Cockroaches sind — wiederum ebenfalls — geprägt durch den sargmäßig angehauchten Frauengesang, unterscheiden sich jedoch durch die raffiniert-soliden und professionellen Arrangements ihrer Popfolkwavevariationen von den demonstrativen Outlaws Love Bomb. Man hört ihnen die fünf Jahre harte Arbeit an, die zu einer Mini-LP und einer noch zu veröffentlichenden LP geführt haben und ruft ihnen gerne ein erwartungsfrohes »Weiter so« zu. Erika

Asexuals spielen um 22 Uhr im Ex.

Love Bomb und die Cockroaches sind ebenfalls um 22 Uhr im K.O.B. zu sehen.