Schließmuskel hat versagt

■ betr.: "Herr Schweppenhäuser entkorkt sich" (Über dden Durchschnitt in der akademischen Philosophie ohne die FNL) von Elke Schmitter, taz vom 7.12.90

betr.: „Herr Schweppenhäuser entkorkt sich“ (Über den Durchschnitt in der akademischen Philosophie ohne die FNL) von Elke Schmitter, taz vom 7.12.90

Was die taz über den „deutschen Durchschnitt in der akademischen Philosophie ohne die FNL“ in Form einer Rezension publiziert hat, befand sich leider weit unter dem Durchschnitt des linkstümelnden Feuilletons. Der bescheidenste Anspruch an eine Rezension wissenschaftlicher Arbeiten ist wohl der, daß man etwas über den Inhalt und die wichtigsten Argumentationslinien erfährt. Aber warum sich diese Mühe noch machen, wenn das Urteil vorweg feststeht und das Ressentiment der intellektuell zu kurz Gekommenen sich seiner Sache sicher und seiner Fans gewiß sein darf?

Das ebenfalls selbstgefällige wie summarische Urteil über das von Margot Fleischer herausgegebene Buch (von denen überhaupt nur zwei erwähnt werden ) als akademischen Durchschnitt klassifiziert, muß auf die Rezensentin zurückfallen, deren pseudokritisches Vagabundieren in zweien der Texte nur demonstriert, wie wenig sie diesem angeblichen Durchschnitt gewachsen ist.

Die Quantität der zusammenhanglosen Zitate aus dem Schweppenhäuser-Aufsatz über Adorno schlägt keineswegs in die Qualität ihrer Erhellung um, höchstens die geistige Hilflosigkeit der Rezensentin in maßlose Prätention und Wut auf den Autor. Sicher läßt sich darüber diskutieren, ob man eine Einführung zu Adorno ausgerechnet von der schwierigen Konstellationen-Spekulation her beginnen sollte. Was Schweppenhäuser allerdings dazu berechtigt, ist sein Gegenstand. An dem Problem, wie sich das subsumtive Denken der traditionellen Metaphysik in einem konstellativen Denken sowohl überwinden als auch aufbewahren lasse, hat sich Adornos Philosophie entzündet. Adorno hat sich der ideologischen Funktion der Philosophie als Sinnlieferanten verweigert, wollte Sachverhalte ohne die vorgängige gesellschaftliche Sinnbesetzung erkennen und die Ideologien, die in apologetischer Absicht den Sinn auf die Gegenstände projizieren, um ihn hinterher wieder herauszulesen, kritisch von innen her auflösen, statt sie metaphysisch zu untermauern. Damit stand er quer zur gesamten philosophischen Tradition und namentlich zu Heidegger, was der deutsche Durchschnitt, wenn es den schon gibt, ihm bis heute verübelt. Dies wenigstens hätte die Rezension deutlich machen können. Dann hätte sich die Bedeutung der immer wieder in die falschen Hälse gerutschten Negativität bei Adorno immerhin erahnen lassen und damit auch die Differenz zu Philosophemen wie „posthistoire“ und „Postmoderne“, die im Gewande des Neuen wieder auf der alten Schiene der Sinngebung rollen und gerade dadurch Geschichte zum Schicksal mystifizieren. „Daß wir vor der Geschichte kapitulieren, von der wir meinen, sie habe vor uns kapituliert“ (Schweppenhäuser), ist die schmeichelhafte Täuschung der Subjekte, die sich in postmoderner Ideologie niederschlägt.

„Herr Schweppenhäuser entkorkt sich.“ Bei Frau Schmitter dagegen hat schlicht der Schließmuskel versagt, so daß die taz-Leser, pardon: Innen, mit den Exkrementen ihrer mißlungenen Adorno-Rezeption belästigt werden. Aus ihnen steigt der geistige Mief der zweiten Restauration auf. Es geht gar nicht um die sprachlichen Schwierigkeiten, an denen sich die Rezension hochzieht, nicht nur gegen Schweppenhäuser, sondern vor allem gegen Adorno und dessen Sinnverweigerung. Eine Philosophie, die „durch kein Materialobjekt gebunden, in keinerlei Rechenschaftsverhältnis zur Wirklichkeit steht“ und der Gesellschaft auch noch den Sinn-Tropf, an dem sie hängt, zudrehen will, ist nicht nur suspekt, sondern überflüssig und sozial schädlich. Schade um die Steuergelder für die beamteten Philosophen, die einem besonders auf der Seele liegen, wenn man mit dem lausigen taz- Salär auskommen muß. Von diesem Geld sollte man doch lieber „Kanonen kaufen“ (und damit Arbeitsplätze sichern, hat sie noch vergessen). Davon hat das Volk mehr als von einer Philosophie, die es sowieso nicht versteht: erst Hurra-Geschrei, dann jede Menge Blut und schließlich Wiederaufbau und Wirtschaftswunder. Solche Vorschläge sind weder neu noch originell, nur fand man sie noch vor ein paar Jahren im 'Bayernkurier‘ und in der 'Nationalzeitung‘. Daß man sie nun auch in der taz lesen darf, zeigt, daß das vereinte Deutschland wirklich ganz bei sich selber ist, „deutscher Durchschnitt“ eben. Und das feine Gespür der taz für das, was die herrschenden Cliquen immer schon gewollt haben, hat sich offenbar zum anbiedernden Einrennen offener Türen ausgewachsen. Die Ausdünnung der akademischen Philosophie ist jedenfalls seit Jahren beschlossene Sache. Und das eingesparte Geld wird der Staat zwar nicht in Kanonen, dafür aber um so mehr in Polizeiausrüstung anlegen, selbst wenn die Sinngebungsbemühungen der taz doch noch Anschluß ans akademische Mittelmaß finden sollten. Gerhard Bolte, Lüneburg

Wie Elke Schmitter da ein paar Spitzlichter auf die Kacke getuscht hat — ganz apart. Also: danke, danke, danke und natürlich mehr davon. Bernd Telgenbüscher

Frankfurt am Main