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Die Diva und der Roller

■ Bekenntnisse der Martina Navratilova AUF-SCHLAG

Erinnern Sie sich noch an das hämische Grinsen in uns allen, als damals, 1986 in Berlin, Martina Navratilova zum allererstenmal gegen Steffi Graf verlor? Als die Unbesiegbare sich fassungslos heulend hinter ihrem starken linken Schlagarm versteckte? Nur: Mit unserer Häme lagen wir, scheint's, gänzlich daneben. Martina heulte nämlich nicht wegen des verlorenen Spiels, sondern wegen ihrer „fucking family — can't you get it?“ So herrschte sie den ungläubig nachbohrenden Reporter Arno Luik an, dem sie in einem Interview für die neueste Ausgabe der Zeitschrift 'Sports‘ ihre gesammelten Lebensweisheiten vermittelte. Wenn sie heult, dann nicht, weil sie verliert, sondern weil es sie nervt, wie sie verliert. Klaro? Und schon gar kein Grund sei eine Rivalität zu Steffi Graf. Die nämlich sei ein „anständiger, fairer Mensch“.

Das einzig Schräge an Steffi sei allein ihr Vater, „der alles und jeden unter Kontrolle haben will und dabei nicht einmal sich selber unter Kontrolle hat.“ Distanz brauche Steffi von diesem Typ, um endlich glücklich zu werden. Und Steffi wird tatsächlich selbständiger. Mittlerweile läßt sie sich gar in den Umkleidekabinen blicken und spricht mit den Spielerinnen, was Papi bislang streng verboten hatte. Aber immer noch scheint sie verzweifelt. „Da habe ich sie angerufen um zu fragen, wie es ihr geht. Und dabei haben wir abgemacht, daß wir bei den nächsten US-Open gemeinsam im Doppel antreten.“

Ohne Rückfrage bei Papi. Ein Triumph für die Navratilova im Kleinkrieg gegen den Graf, der, und das ärgert die Tennisdiva wirklich, ihren Lebensstil als lesbische Frau nicht billigt. „Zur Hölle — wer ist er denn?“ Gegen sie, die Navratilova, doch nur ein kleines Licht. Sie, die sagt und lebt, was sie will; die wie eine Hollywood-Diva mit einem Clan von hauptamtlichen Freunden und Dienern in einer Luxusvilla nahe dem Edel-Skiort Aspen residiert, wo ihr zwischen Porzellanhunden, gläsernen Pferdeköpfen und Ruhmesbildern jeder Wunsch direkt von den Brillengläsern abgelesen wird.

Wichtiger als ihr Clan sind nur noch die vielen Schießeisen, mit denen sie sich und ihren Reichtum zu schützen wild entschlossen ist. Denn abgeben tut sie nur freiwililig. So spendete sie viel Geld für die Aids-Hilfe und für unterprivilegierte Kinder. Zu gerne würde sie mal demonstrieren gehen, etwa für das Recht auf Abtreibung oder gegen Rassendiskriminierung — wenn sie Zeit hätte.

So wie neulich auf dem Prager Wenzelsplatz, als sie auf Bitte Vaclav Havels, in dessen Beraterstab sie per Zufall geriet, eine Rede ans tschechische Volk hielt. Raten konnte sie dem Staatschef bisher zwar noch nichts, hat aber die Regierungsgeschäfte mit einem praktischen Geschenk erheblich vereinfachen: einem vollgummibereiften Roller, mit dem Havel hurtig durch die langen Gänge seines Regierungsschlosses strampeln kann. Martina Navratilova, die Realpolitikerin.

Komisch nur, wie blitzschnell sie sich Themen verschließt, die sie persönlich betreffen, die im prüden Amerika verfänglicher sind als „Rettet die Wale“. Frauen- und Lesbenbewegung — Reizthemen für die Navratilova. Das sei ihr Privatleben, es gehe niemanden was an, „mit wem ich schlafe“. Jede Vorreiterrolle lehnt sie strikt ab, ihr Coming-Out war ohnehin nur der Indiskretion eines Journalisten geschuldet. Zur Gallionsfigur taugt sie wahrlich nicht. Sie fühle sich wohl in ihrer Frauenrolle und trage auch gern den vorgeschriebenen Tennisrock. Das gehöre einfach dazu. Mit Po- und Busenshow zur Aufwertung des Frauentennis habe das nichts zu tun: „Haha, da hab' ich wenig zu bieten. Aber manche Spielerinnen tragen ganz bewußt Röcke, um ihre fetten Ärsche zu verstecken.“

Alles klar, Martina, die Frauenbewegung entfernt sich naserümpfend. So kann sich die 34jährige Perfomance-Künstlerin wieder ganz der Aufschlagbewegung widmen, fern aller Widersprüchlichkeiten, die sie mit einem einzigen Satz ins rechte Licht rückt: „Ich denke wenig über mich nach.“ miß

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