: Einer der Allermächtigsten
■ Japans Unternehmer haben einen neuen Vorsitzenden MIT DEM CHEF AUF DU UND DU
Tokio (taz) — Was ist bedeutender — ein Wechsel in der Tokioter Regierungsspitze oder beim „Keidanren“, dem führenden japanischen Unternehmerverband? Darüber streiten sich Nippons Gelehrte seit Jahrzehnten ohne Ergebnis. Nur eines ist klar: Der Chef des Keidanren, schon in der Nachkriegszeit zum „Premierminister der Wirtschaft“ getauft, gehört zu Japans Allermächtigsten. Ab heute hat er einen neuen Namen.
Gaishi Hiraiwa (76), Präsident der Tokioter Elektrizitätswerke, folgt an diesem Freitag auf Eishiro Saito (79). Viereinhalb Jahre lang hatte Saito, Chef von Nippon Steel, den Unternehmerverband ohne Glanz geführt, und sein Rücktritt galt in Tokio als längst überfällig. Als Saito dann seine Entscheidung mit der Notwendigkeit der „Verjüngung“ des Verbandes begründete, erntete er dennoch viel Kritik. Sein Nachfolger wirkt wiederum wenig jugendlich, und zu gerne geißelt Nippons Presse derzeit die Überalterung, Verkalkung und Unbeweglichkeit des einst als unantastbar geltenden Unternehmerverbandes.
Keidanren-Kritik ist in Mode. Der Unternehmerverband habe seinen maßgeblichen Einfluß auf die Regierungspolitik verloren, jauchzen die Kommentatoren. Einzelne Topmanager wie Eiji Suzuki, Chef von Mitsubishi-Chemie, wagen es gar, die „kurzsichtige Interessenpolitik“ des Keidanren öffentlich zu kritisieren. Die Verantwortlichen freilich stört das Gezeter wenig. Ohne jede politische oder ökonomische Erklärung gegenüber der Öffentlichkeit übergibt Saito sein Amt in Königsmanier an Nachfolger Hiraiwa. Die Verbandsmitglieder, Nippons führende tausend Unternehmen, werden seine Wahl heute auf einer Mitgliederversammlung billigen.
Was zuerst nach Palastintrige gegen den Vorsitzenden Saito roch und den Verdacht auf einen harten Konkurrenzkampf hinter den Kulissen erregte, wird vom Keidanren jetzt als eleganter und reibungsloser Führungswechsel dargestellt. Tatsächlich liegt darin die Stärke des Verbandes. Noch nie gelangten wesentliche interne Meinungsunterschiede an die Öffentlichkeit. Selten ließ es sich exakt bestimmen, welche Regierungsentscheide der Keidanren maßgeblich mitverfaßte, und welche anderen er nur tolerierte. Doch immer läßt sich seine Handschrift an den Ergebnissen japanischer Politik ablesen. So erst kürzlich, als die Regierung eine zunächst mutig vorgeschlagene Landsteuerreform zur Senkung der horrenden Bodenpreise auf Betreiben der Großunternehmer wieder zurückzog.
Dem neuen Vorsitzenden Hiraiwa wird nun zur Last gelegt, daß er sich als Leiter der Elektrizitätswerke, die in vielen Belangen von der Regierung abhängig sind, herzlich wenig zur Vertretung unabhängiger Unternehmerinteressen eigene. Doch dieser Vorwurf beruht offenbar auf einem Mißverständnis. „Alle Unternehmen unterliegen zu einem bestimmten Grad der Regierungskontrolle“, entgegnet Hiraiwa. Und will damit wohl auch sagen: Jede Regierung unterliegt zu einem bestimmten Grad seiner Kontrolle. Georg Blume
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