Die Stahlkocher im Osten kämpfen um ihr Überleben

Was wird aus den Stahlwerken Hennigsdorf, Oranienburg und Eisenhüttenstadt?/ Die Sanierung der ostdeutschen Stahlindustrie steht vor einem Berg von Problemen/ Taugen die Umstrukturierungen im Westen zum Modell?/ Was steckt hinter dem Zauberwort „Beschäftigungsgesellschaft“?  ■ Von Walter Jakobs

Peter Schulz, seit dem 8. August Betriebsratsvorsitzender der Hennigsdorfer Stahl GmbH, hat die erste überraschende Erfahrung mit der Marktwirtschaft schon hinter sich. „Wenn unsere Verkäufer im Westen etwas unterbringen wollen, stoßen sie auf harte Proteste.“ Die Hennigsdorfer „fühlen sich ungerecht behandelt“, vermuten, daß sich die westlichen Stahlkonzerne mittels Absprachen die unliebsame östliche Konkurrenz vom Halse halten.

Solche verbotenen Absprachen sind zwar kaum zu beweisen, aber daß die Großen der Branche auch nach der 1988 beschlossenen Abschaffung der EG-Ouotenregelung, die jedem Stahlunternehmen in der EG gewisse Produktionshöchstgrenzen vorschrieb, die freie Konkurrenz nicht besonders schätzen und mit allen Mitteln versuchen, zusätzliche Anbieter draußen vor zu halten, darf man gewiß unterstellen.

„Uns wird bedeutet, daß wir auf unserem Markt bleiben sollen“, sagt Diplomingenieur Schulz, „aber gleichzeitig wird uns unsere Abnehmerindustrie abgekauft.“ Die Hennigsdorfer waren zum Beispiel Hauptlieferant für die LKW-Produktion in Ludwigsfelde — bis Mercedes-Benz das Werk übernahm. Der neue Eigner brachte die vertrauten Zulieferer gleich mit, zum Kummer der Hennigsdorfer Stahlkocher.

Von den 7.000 Menschen, die noch im Juli 1990 im ehemaligen VEB Stahl- und Walzwerk „Wilhelm Florian“ in Hennigsdorf unter schwierigen Bedingungen arbeiteten, sind noch etwa 6.300 übriggeblieben. Mehr als 4.000 von ihnen befinden sich in Kurzarbeit, die meisten arbeiten weniger als 30 Prozent. Bis 1993, so sieht das Überlebensmodell für die inzwischen zur GmbH mutierte Stahlschmiede aus, werden im Stahlgeschäft nicht mehr als 2.300 Menschen Arbeit finden.

Der Ausfall der Haupthandelspartner im Osten und die in weiten Bereichen überalterte Technik machen den radikalen Schnitt auch nach Auffassung des frisch gewählten Betriebsrates Peter Schulz, der der SPD angehört, unumgänglich. Von den alten Siemens-Martin-Hochöfen, in denen vor der Wende noch 700.000 Tonnen Stahl pro Jahr gekocht wurden, wird in diesem Winter allenfalls bei klirrender Kälte noch einmal einer angefahren — zur Beheizung des angrenzenden Wohngebietes.

Für die Region um das nur eine halbe Autostunde von Berlin entfernt gelegene Hennigsdorf ist der drastische Arbeitsplatzabbau im Stahlwerk keine Ausnahme. Dem örtlichen Lokomotivwerk mit 8.000 Beschäftigten steht Ähnliches ins Haus. Sollte die Sanierung der beiden Großbetriebe nicht gelingen, stünde das 26.000 Einwohner zählende Hennigsdorf, ja die ganze angrenzende Region vor dem Nichts.

Die Hennigsdorfer Stahlwerker, die bisher lediglich mit Klöckner eine Kooperation im Vertriebsbereich abschlossen, versuchen ihr Unternehmen selbst zu retten. Dabei, so heißt es im Betriebsrat, entpuppe sich die Berliner Treuhand „als ein echtes Problem“. Der Zentralismus der größten Wirtschaftsholding der Welt sei „schlimmer als in der alten DDR“ und mache „alle Betriebe handlungsunfähig“. Fieberhaft suchen die Hennigsdorfer Stahlkocher im Verein mit der Geschäftsführung nach Beschäftigungsalternativen. Selbst wenn die Sanierung des Kernbereichs gelänge und ein Teil über Sozialplan in die Frühverrentung ginge, müßten für mindestens 2.500 Stahlwerker Ersatzarbeitsplätze her. Ein fast unlösbares Problem, denn an den anderen Stahlstandorten der ehemaligen DDR sieht es nicht besser aus.

Insgesamt, so glaubt etwa der ehemalige Hauptgeschäftsführer der DDR-Stahlwirtschaft, Professor Scharf, dürften von den 80.000 Arbeitsplätzen in der DDR-Stahlindustrie allenfalls die Hälfte Bestand haben. Und doch hoffen die ostdeutschen Stahlkocher insgeheim, daß ihnen der gewaltige Strukturwandel entsprechend des westdeutschen Musters gelingen möge.

Der Strukturwandel im Westen als Modell?

Der hoffnungsvolle Blick in den Westen liegt nahe, hat doch die westdeutsche Stahlindustrie ihre schärfsten Einschnitte längst hinter sich. In den 60er Jahren arbeiteten hier noch über 400.000 Menschen, heute sind es kaum mehr als 120.000. Im Bergbau ist die die Beschäftigtenzahl von 500.000 auf knapp 150.000 zurückgegangen. Regional traf dies vor allem die Montanregionen im Ruhrgebiet und im Saarland. Rund 80 Prozent der Wirtschaft im Revier hing in den 50er Jahren noch direkt oder indirekt von den Montansektoren Kohle und Stahl ab. Heute liegt die Quote bei etwa 30 Prozent.

Von 1974 bis Ende 1987 schrumpfte die Beschäftigtenzahl in der nordrhein-westfälischen Stahlindustrie etwa um 90.000 (40 Prozent). Im Saarland gingen in der Zeit zwischen 1978 und 1986 allein bei Saarstahl ca. 14.000 Arbeitsplätze verloren. Bis zum Jahr 1986 vollzog sich dieser gigantische Arbeitsplatzabbau im wesentlichen über Sozialpläne. Anstelle der Arbeitslosigkeit stand die Frühverrentung, die zuletzt allen Arbeitnehmern der Stahlindustrie erlaubte, schon mit 55 Jahren auszuscheiden — bei Garantie des nur um 10 Prozent reduzierten letzten Nettolohnes. Viele machten von dieser Möglichkeit nach jahrzehntelanger Maloche in den Knochenmühlen der Stahlkonzerne gerne Gebrauch.

Der über Sozialpläne abgefederte Arbeitsplatzabbau war so lange unproblematisch, wie für die nachwachsende Generation Beschäftigung in neuen Bereichen entstand. 1986 wurden die Grenzen dieser Politik jedoch unübersehbar. Einerseits waren in der Stahlindustrie kaum noch ältere Arbeitnehmer beschäftigt, andererseits gingen die jungen Arbeiter zusehends leer aus.

Die Ungleichzeitigkeit zwischen dem Absterben alter Industrien und dem Entstehen neuer Beschäftigungsfelder trieb die Arbeitslosenrate im Revier Mitte der 80er Jahre auf bis zu 15 Prozent hoch. In dieser Situation, in der in der Stahlindustrie auch betriebsbedingte Kündigungen ins Haus standen, verschärfte sich der Widerstand der Stahlkocher — Beispiel Rheinhausen —, und es begann die hektische Suche nach neuen Instrumenten, die die klassische Sozialplanpolitik ergänzen sollten.

Von der IG-Metall wurden sogenannte „Beschäftigungsgesellschaften“, die durch die Obergesellschaften der Stahlkonzerne mitgetragen und mitfinanziert werden sollten, in die Diskussion gebracht. Damit hoffte man, so beschreibt Nicolaus Schmidt aus der Frankfurter IGM- Zentrale die zugrundeliegende Idee, „die Brücke vom Arbeitsplatzabbau über neue Qualifizierung der Stahlarbeiter zu neuen Arbeitsplätzen schlagen zu können“.

Was ist aus dem Modell geworden, auf das sich viele Hoffnungen der Betriebsräte aus den ostdeutschen Stahlschmieden richten? Tatsächlich hat diese Konzeption bei der Sanierung der Stahlindustrie bisher kaum eine Rolle gespielt. Neue konkurrenzfähige Arbeitsplätze entstanden über diesen Weg nicht. Die an einigen Stahlstandorten realisierten Qualifizierungszentren stellen allenfalls Elemente der „Beschäftigungsgesellschaft“ dar.

Das einzig wirklich neue Krisenbewältigungsinstrument gebar das Saarland. Dort entstand 1986 die sogenannte „Stahlstiftung Saarland“, gegründet vom Unternehmen Saarstahl mit dem Kapital der bis dahin werkseigenen Wohnungsbaugesellschaft. Wer in die Stiftung wechselte, dem wurden bis zu 95 Prozent seines letzten Nettogehaltes fünf Jahre lang in einer Art Warteschlange garantiert, wobei die Stiftung die Differenz zu der vom Arbeitsamt erbrachten Leistung zahlte. Die Betroffenen erhielten zwar keine juristisch einklagbare Wiedereinstellungsgarantie, aber so eine Art „moralische Rückfahrkarte“, wie es in der schriftlichen Bilanz der Stiftung heißt. Insgesamt hat die Stiftung, deren Beirat neben dem Arbeitsdirektor Betriebsräte, Gewerkschafter, auch Vertreter der Landesregierung und des Landesarbeitsamtes angehören, bis zum Mai 1990 2.081 Leute betreut. Alle Arbeitnehmer, die bei Eintritt in die Stiftung unter 52 Jahre alt waren, wurden bis zum Mai 1990 vor allem in den Stahlunternehmen aber auch bei Dritten wieder eingestellt. Etwa 300 Stahlkocher nutzen die Zeit zur Weiterqualifizierung. Die 700 bei Stiftungseintritt über 52jährigen werden spätestens bis zum 31. 12. 1991 allesamt über Sozialplan in die vorzeitige Pensionierung gehen.

Die von der Stiftung gegründete „Gesellschaft für Beschäftigung und Qualifizierung mbH“ bietet 80 Menschen über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen einen befristeten Job. Finanziert werden die Stiftungsaktivitäten aus dem Stiftungsvermögen, aus Spenden, aus Zuschüssen der saarländischen Landesregierung und aus EG-Mitteln. Insgesamt, soviel steht heute fest, hat die Stiftung mit dazu beigetragen, daß kein Stahlarbeiter in die Arbeitslosigkeit entlassen werden mußte, daß der Strukturwandel für die Betroffenen relativ sozialverträglich bewältigt werden konnte. Ein nachhaltiger Erfolg, der allerdings zu einem Gutteil auf den 1988 wieder einsetzenden Stahlboom beruht.

Nachdem die westdeutsche Stahlproduktion 1987 auf 36,3 Millionen Jahrestonnen zurückgegangen war, produzierten die Unternehmen in den beiden darauffolgenden Jahren am Rande der Kapazitätsgrenze jeweils 41 Millionen Jahrestonnen. Ohne diesen Boom, der den Stahlkonzernen fette Gewinne bescherte, wäre die Wiedereinstellung bei Saarstahl sicher nicht möglich geworden.

Für die ostdeutsche Stahlindustrie sind solch günstige Rahmenbedingungen indes nicht in Sicht. Warteschleifen nach dem Saarländer Stiftungsmodell — ohne Aussicht auf eine nennenswerte Zahl von Ersatzarbeitsplätzen — drohen, als Abstellgleise zu enden. Dennoch liest sich die Konzeption einer „Innovations- und Entwicklungsgesellschaft“, die die Hennigsdorfer Stahlkocher vorgelegt haben, streckenweise wie das Stahlstiftungsmodell.

Oranienburg versucht es mit Krupp

Auch nach diesem Konzept sollen die Beschäftigten vorübergehend mit Hilfe des Arbeitsamtes von der Lohnliste des Unternehmens genommen und für die Weiterqualifizierung gewonnen werden. „Nach Abschluß der Bildungsmaßnahmen“, so heißt es in dem Papier, „sind die Ausgebildeten der Hennigsdorfer Stahl GmbH und den Unternehmen des Territoriums für einen beruflichen Einsatz zur Verfügung zu stellen.“ Doch was passiert, wenn niemand neue Leute braucht?

Weiterqualifizierung als Überbrückungsmaßnahme spielt an allen Stahlstandorten eine zentrale Rolle. Auch im Kaltwalzwerk in Oranienburg, dem größten Arbeitgeber vor Ort. Hier arbeiten derzeit 1.026 Menschen, 44 Prozent davon Frauen. 1992 dürfen es nach den Planungen der Krupp-Stahl AG, die den Betrieb mit Zustimmung der gewerkschaftlichen Vertreter zu 100 Prozent erworben hat, noch 600 sein, die monatlich 6.000 Tonnen Kaltbandprodukte walzen sollen. Aber der Weg, auf eigene Faust weiterzumachen, wurde im Werk, das zum Kombinat Eisenhüttenstadt gehörte, als wenig aussichtsreich eingeschätzt. Der neugewählte Betriebsrat Dietger Anschütz drückt das so aus: „Krupp kennt man auf der Welt, aber was ist ein Kaltwalzwerk Oranienburg?“ Krupp selbst hat mit der Übernahme offenbar ein glänzendes Geschäft gemacht. Das Walzwerk, erst 1986 von einem Firmenkonsortium aus dem Westen errichtet, gehört zu den modernsten in Europa, ein echtes Filetstück, das die entsprechenden Krupp-Anlagen in Hohenlimburg vortrefflich ergänzt.

Einen Teil der überzähligen Belegschaft hoffen die Oranienburger in eigenständigen Instandhaltungs- oder Metallartikelgesellschaften unterbringen zu können. Eine Qualifizierungsgesellschaft soll weitere Menschen aufnehmen. Die Personalanpassungen, so heißt es in einem Papier der Oranienburger Geschäftsleitung, „erfolgt im Rahmen der bei Krupp-Stahl gültigen Sozialmaßnahmen“. Der Kündigungsschutz gilt, wie in allen Stahl- und Metallunternehmen, bis zum 30.6.1991. Wer „freiwillig“ früher geht, dem zahlt Krupp eine Abfindung. Errechnet nach den westlichen Sozialplanregeln, aber auf Basis des Ostlohnes, der bei den Arbeitern ca. 45 Prozent und bei den Angestellten ca. 35 Prozent des Westniveaus erreicht. Je nach Beschäftigungsdauer und Lebensalter liegt die Abfindung zwischen 8.000 und etwa 30.000 DM. Während Krupp im Osten die überzähligen Leute möglichst schnell loswerden will, geht die Produktion im einst heiß umkämpften Stahlwerk in Rheinhausen, das nach den ursprünglichen Vorstandsplänen längst stillgelegt sein sollte, auf vollen Touren weiter. 170.000 Tonnen Rohstahl werden von den an der absoluten Kapazitäts- und Belastungsgrenze operierenden Stahlarbeitern in Rheinhausen Monat für Monat gekocht. Eine Entwicklung, die dem unerwarteten Stahlboom und den Produktionsproblemen in der von Mannesmann und Krupp gemeinsam gegründeten „Hüttenwerke Krupp Mannesmann GmbH“ (HKM) in Duisburg Huckingen geschuldet ist. Bei einer Normalisierung der Stahlnachfrage, so ließ der Krupp-Vorstand noch Anfang des Jahres verbreiten, sei die Schließung von Rheinhausen, wo schon aus rein technischen Gründen mindestens 120.000 Monatstonnen hergestellt werden müssen, unumgänglich.

Im Sommer kam dann die Kehrtwende. Durch zusätzliche Absatzchancen in der früheren DDR sei, so hieß es nun in der Krupp-Chefetage, der dauerhafte Weiterbetrieb in Rheinhausen mit etwa 2.400 Leuten doch noch möglich geworden. Das Ein-Ofen-Modell in Rheinhausen, für das die Belegschaft 160 Tage vergebens gekämpft hatte, war plötzlich ein Zukunftsprojekt.

Rettung also zu Lasten der ostdeutschen Stahlkocher? Bisher kann davon nicht die Rede sein, denn noch sind nach Darstellung der Krupp- Pressestelle keine nennenswerten Mengen gen Osten gegangen: Nach Oranienburg „fast nichts“ und in das ehemalige Kombinat Eisenhüttenstadt „lediglich Probemengen“. Erst im kommenden Jahr werde die vereinbarte Lieferung von 300.000 Jahrestonnen Warmbreitbandmaterial beginnen. Für Theo Steegmann, 2. Betriebsratsvorsitzender in Rheinhausen und ehemals Motor des dortigen Arbeitskamfes, geht es jetzt darum, daß „wir zusammen mit den Ostkollegen nach Wegen suchen, dort Massenarbeitslosigkeit zu verhindern“. Dabei hofft Steegmann — trotz der miesen Erfahrungen im Westen — auf die Durchsetzung von Beschäftigungsgesellschaften. Fest steht für den linkssozialdemokratischen Metaller indes, daß es „weder volkswirtschaftlich noch ökologisch Sinn macht, Stahl in Siemens-Martin-Öfen zu produzieren“. In Brandenburg, so seine Rechnung, wurde „in 12 Siemens-Martin-Öfen die gleiche Rohstahlmenge hergestellt wie in Rheinhausen mit einem Hochofen“. Günther Rotter, erst am 23.11. in die Geschäftsführung des Betriebsrates des früheren volkseigenen Stahl- und Walzwerkes Brandenburg gewählt, hofft, daß sich die Siemens-Martin-Öfen künftig wenigstens im begrenzten Umfang beim Recycling von Autoschrott einsetzen lassen, dabei etwa 400 Leuten Arbeit bietend. Gute Zukunftsaussichten hat darüber hinaus der Brandenburger Edelstahlbereich, der zusammen mit Thyssen aus Duisburg- Hamborn weiterbetrieben werden und 900 Arbeitsplätze sichern soll.

Von Neugründungen im Anlagen- und Maschinenbau, von einem geplanten Blech- und Dienstleistungscenter sowie einem eigenständigen Ingenieurbüro erhofft man sich weitere Arbeitsplätze. Insgesamt aber rechnet auch der Betriebsrat der zur Zeit 7.000köpfigen Belegschaft in diesem Bereich nicht viel mehr als 3.200 Jobs. Wie an allen Standorten müssen auch in Brandenburg Tausende gehen. Natürlich spukt auch hier die Qualifizierungs- und Beschäftigungsgesellschaft in den Köpfen der Betriebsräte herum.

Ideen gibt es genug, nur die Umsetzung gestaltet sich — wie schon im Westen — unendlich schwierig. Doch während im Westen das Schrumpfen im Montanbereich von der Expansion in anderen Branchen begleitet war, bricht in der früheren DDR alles weg. „Je weiter man nach Westen kommt, um so geringer ist das Vorstellungsvermögen von dem, was hier wirklich los ist“, sagt Peter Schulz aus Hennigsdorf.

Richtig übel wird ihm, wenn er im Westen dann zu hören kriegt, daß „die da drüben erstmal richtig arbeiten sollen“. Schulz weiß, daß in der Stahlindustrie im SED-Staat „schwer gearbeitet wurde, wahrscheinlich unter schwierigeren Bedingungen als im Westen“. Zumindest war angesichts der katastrophalen Ersatzteilengpässe wesentlich mehr Erfindungsreichtum gefragt. Mit diesem Pfund der tausend Tüftler ließe sich wuchern, aber, das stellen Betriebsräte wie Peter Schulz überall fest, „die Motivation geht verloren. Die Menschen glauben nicht mehr, die Entwicklung beeinflussen zu können.“