Lech Walesa macht Kehrtwendung

Regierung Mazowiecki soll bis zum Frühjahr bleiben oder aber die Parlamentswahlen um ein Jahr verschoben werden  ■ Aus Warschau Klaus Bachmann

Lech Walesas vergebliche Versuche, eine Regierung zusammenzustellen, nehmen immer mehr Ähnlichkeit mit einer Regierungskrise an. Inzwischen wurde bekannt, daß auch Jan Krzysztof Bielecki, Kopf der polnischen Liberalen, insgeheim mit Sondierungsgesprächen zur Bildung einer Regierung beauftragt worden war, ohne dabei jedoch Erfolg zu haben.

Vizepremier Balcerowicz hat indessen den Auftrag zur Regierungsbildung abgelehnt. Am Donnerstagabend veröffentlichte daher Andrzej Drzycimski, der Pressesprecher Walesas in Danzig eine Erklärung des noch nicht vereidigten Präsidenten, in der dieser vorschlägt, die Regierung Mazowiecki solle bis zu den Parlamentswahlen im Frühjahr im Amt bleiben oder die Wahlen sollten um ein Jahr verschoben werden. Begründung: „Kein verantwortlicher Politiker nimmt wichtige Aufgaben nur für drei Monate auf sich.“

Diese Erklärung hat recht unterschiedliche Kommentare in der Öffentlichkeit ausgelöst, nicht nur, weil damit klar ist, daß Walesa offenbar nicht imstande ist, eine Regierung zustandezubringen. Die beiden Vorschläge stehen auch im Widerspruch zu seiner bisherigen Linie. Gerade den Sejm, in dem 65 Prozent der Abgeordneten nicht frei, sondern aufgrund des Abkommens am runden Tisch gewählt wurden, hatte Walesa im Wahlkampf heftig angegriffen. Unklar ist auch, wie eine von Walesa zusammengestellte Regierung, die kaum auf eine entsprechende Mehrheit im Parlament rechnen könnte, ein Jahr lang mit einem Sejm regieren soll, in dem knapp 50 Prozent ehemaliger PVAP-Mitglieder sitzen.

Eine weitere Amtsführung der Regierung Mazowiecki wird gleichzeitig aber dadurch erschwert, daß der Sejm die Demission der Regierung bereits angenommen hat, so daß Walesa nun formal gesehen Mazowiecki mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragen müßte.

Mazowiecki hat im Wahlkampf aber kategorisch ausgeschlossen, Premier unter einem Präsidenten Walesa zu werden. „Geht es etwa darum, daß die Sieger der Wahlen nun weiterhin politisches Kapital aus rücksichtsloser Kritik der Regierung und verantwortungslosen Versprechungen schlagen wollen wie im Wahlkampf?“ polemisiert etwa Adam Michnik in der 'Gazeta Wyborcza‘ und fordert zugleich eine Einbindung „aller wesentlichen politischen Kräfte in Polen“. Die Regierungspolitik könne „Gegenstand gemeinsamer Vereinbarungen“ sein. Regierungssprecherin Niezabitowska erklärte auf Anfrage nur kommentarlos, die Regierung sei zurückgetreten und der Sejm habe den Rücktritt akzeptiert. Mazowiecki: „Das reicht als Kommentar.“

Jacek Kuron schlug vor, Walesa solle doch einfach eine solche Regierung ernennen, die die kommenden Parlamentswahlen gewinne, „das würde ich ihr auch wünschen“, erklärte der zurückgetretene Sozialminister.

So oder so wird die Regierung nach den Parlamentswahlen umgebildet werden müssen, um eine parlamentarische Basis zu haben. Mit der Verschiebung der Wahlen können sich daher nur die Sozialdemokraten anfreunden, sie können bei freien Wahlen auch kaum damit rechnen, ihren Besitzstand an Mandaten zu behalten. Walesa kündigte an, er werde Entscheidungen erst nach den Feiertagen fällen, „bis dahin stelle ich meine beiden Varianten zur Diskussion.“