Türkei bittet Nato um Beistand

■ Bonn reagiert zurückhaltend auf das Ersuchen der Türkei/ Bagdad probt mit Evakuierungsübung für den US-Luftangriff/ Neue Debatte in den USA um Kampfbereitschaft am 15. Januar

Berlin (afp/dpa/taz) — Die türkische Regierung hat am Freitag bestätigt, daß sie die Nato um die Entsendung von etwa 40 Kampfflugzeugen der mobilen Eingreiftruppe des Bündnisses, die nur Verteidigungszwecken dienen soll, ersucht hat. Die Bitte der Türkei um militärische Unterstützung der Nato gegen einen eventuellen irakischen Angriff wurde in Bonn mit Zurückhaltung beurteilt. Ehe der für eine Entscheidung verantwortliche Ständige Nato- Rat in Brüssel dazu keine Stellung bezogen hat, wollte man sich in Bonn zu dem türkischen Ersuchen offenbar nicht näher äußern. Eine baldige Entscheidung des Nato-Rates, der am Freitag tagte, wurde jedoch nicht erwartet.

Regierungssprecher Dieter Vogel wies darauf hin, daß eine Entsendung von Landstreitkräften nicht in Frage komme. Es gehe zunächst nur um den Luftwaffenanteil der mobilen Truppe, der rund 1.000 Mann beträgt. Davon stellt die Bundesrepublik knapp 300. Sollte eine Entscheidung für die Entsendung der mobilen Luftwaffeneinheiten der Nato fallen, würde die deutsche Luftwaffe eine Staffel mit rund 25 Flugzeugen vom Typ Alpha-Jet in die Türkei schicken.

In Bagdad sind am Freitag unterdessen eine Million Iraker im Rahmen einer Zivilschutzübung für den Fall eines möglichen Angriffs amerikanischer und multinationaler Truppen aus der Stadt evakuiert worden. Nach Angaben des Zivilschutzes begann diese bisher einmalige Übung in der Vier-Millionen-Hauptstadt um 7 Uhr Ortszeit und dauerte mehrere Stunden. Die Evakuierung ist der bisherige Höhepunkt einer Kampagne, mit der die irakische Regierung schon seit einiger Zeit die Bevölkerung auf einen Krieg vorbereitet und in der Luftschutzmaßnahmen eine große Rolle spielen.

Gleichzeitig wurde in Washington darüber spekuliert, daß ein militärischer Schlag der USA gegen den Irak mit einem massiven Luftangriff beginnen könnte. Am Vortag hatte der stellvertretende Kommandeur der US-Truppen in Saudi-Arabien erklärt, daß die US-Truppen für einen Angriff gegen den Irak möglicherweise erst einige Wochen nach dem Ablaufen des UNO-Ultimatums am 15. Januar einsatzbereit seien.

Die Bemerkungen von General Calvin Waller hat in Washington wieder zum Aufflammen der Debatte über ein sofortiges militärisches Vorgehen nach dem Ablauf des Ultimatums geführt. Während das Weiße Haus die offenherzigen Aussagen des Generals über die mangelnde Kampfbereitschaft der Truppen herunterzuspielen suchte, kommentierten ehemalige Mitglieder der Reagan-Administration, der stellvertretende Oberkommandierende der US-Truppen am Golf habe lediglich die Wahrheit gesagt. Für ein ähnliches Vergehen hatte im September ein anderer hoher US-General seine Militärkappe nehmen müssen, nachdem er offen über amerikanische Bombardierungspläne gegen Bagdad geplaudert hatte.

Vor Ort in Saudi-Arabien setzten der amerikanische Verteidigungsminister Dick Cheney und General Colin Powell, der Chef der Stabschefs, ihre Besprechungen und Truppenbesichtigungen fort. Ein Mitglied ihrer Pentagon-Delegation erklärte, daß die Luftwaffe am 15. Januar sehr wohl für einen Angriff auf irakische Positionen bereit sei, auch wenn einige Bodeneinheiten noch nicht ganz so weit seien.

Auch die US-Überwachungssatelliten in der Golfregion scheinen noch nicht vollständig zu funktionieren. Wie die US-Zeitung 'Los Angeles Times‘ am Freitag meldete, hatten die Satelliten den Abschuß einer irakischen Mittelstreckenrakete bei Manövern des Iraks Anfang Dezember erst eine Minute vor dem Aufschlag registriert. „Wir hatten keine Vorwarnung“, entschuldigte sich ein Sprecher des Pentagons.

Der britische Premierminister John Major hat bei seinem Antrittsbesuch bei Präsident Bush am Freitag in Washington erklärt, daß der Irak angegriffen wird, wenn Staatschef Saddam Hussein seine Truppen nicht aus Kuwait zurückzieht. Major betonte, daß es „keine Kompromisse“ geben könne und daß ein teilweiser Rückzug des Iraks nicht ausreichen werde. Er hoffe, daß Saddam diese Botschaft verstehe. ropa