SPANNUNGSFELD NORD-SÜD
: Agrobusineß, Natur und Menschenrechte

Wie sozialverträglich ist die moderne Landwirtschaft? Warum wurden die größten Grausamkeiten des Kolonialismus an Bauern und Landarbeitern verübt? Woher kommt der jahrhundertealte Zusammenhang zwischen Agrarwirtschaft und Sklaverei? Immer mehr rücken die Verfehlungen der modernen Nahrungsmittelproduktion in das Zentrum der Nord-Süd-Diskussion. Grund genug, der Frage nachzugehen, ob nicht bestimmte Formen der Landwirtschaft – die „Grüne Revolution“ eingeschlossen – die Menschenrechte verletzen.  ■ VON L
IMFLD

In den letzten 200 Jahren haben auf dem Lande Entwicklungen stattgefunden, die aus einem in Kosmos, Natur, Gemeinschaft und Dorf vernetzten Bauern einen isolierten und unter höchstem Wachstumszwang stehenden Agrarunternehmer gemacht haben. Das wird uns bewußt, wenn wir idealtypisch die drei Begriffe Bauer, Landwirt, Agrobusineßman umschreiben.

Der Bauer wußte sich wie eine Spinne im Netz. Er war eingebettet in ein Ganzes. Er, seine Familie, seine Haustiere, das Land, der Garten, die Pflanzen, Obst und Gemüse, Wald und Beeren waren Teil seiner Welt. Auf alles mußte daher Rücksicht genommen werden: Vieles vom Leben hatte mit Einfügen zu tun. Natürlich war das für den einzelnen nicht immer nur Glück. Wer sich individualisieren wollte, geriet ganz schön in die Mühle seiner Um-Welt. Er galt sehr oft als verrückt und daher als gefährlich. In dieser Welt bestand die Verletzung der Menschenrechte vor allem in der Intoleranz. Sehr oft kam es zu Gleichschaltungen. Auch war es in dieser Welt nicht leicht, mit Vielfalt und Reichtum umzugehen.

Der Landwirt entstand aus dem untergehenden Feudalismus. Er empfand es vorerst als Befreiung, nicht länger den weltlichen und geistlichen Herren dienen und opfern zu müssen. Im Sog des Liberalismus wurde aus dem Bauern ein selbständiger Kleinunternehmer. Er übte auf dem Hof Macht aus und hatte es in seiner Hand, den Betrieb zu gestalten. Da griffen nicht mehr Gott, Geister, arme Seelen oder Heilige ein. Nein, er war es selbst! Es war seine Wirtschaft, und daher nannte er sich stolz: Landwirt. Mehr und mehr vergaß er sowohl die Umwelt als auch die große Welt. Er schaute nur noch auf den Ertrag. Diese zunehmende Verwirtschaftlichung ließ viele Aspekte des Bauerntums untergehen. Nicht nur die Ganzheit erlitt Schaden, sondern auch der Bauer selbst: Er entmenschlichte sich. Parallel zur Verdinglichung der Umwelt ging diejenige des Menschen. Alles wurde zum rücksichtslosen Geschäft.

Der Agrobusineßman ist die Weiterführung dieser Trends bis zur Perfektion. Er handelt primär ohne Land und Menschen. Er setzt Kapital ein, um den für ihn primitiven Rohstoff zu bearbeiten, zu veredeln, mit Wertzuwachs zu versehen und weiter zu verkaufen. Nicht das Bebauen und Kultivieren sind ihm wichtig, sondern das Organisieren, das Verbinden von Farm und Fabrik, das Management und das dauernde Rationalisieren (denn der Mensch ist für derartige Betriebe zu unberechenbar) bestimmen die neue Wirtschaftsweise. Es ist begreiflich, daß diese „Bauern“ heute in Genossenschaften, Import- und Exportunternehmen und in der Veredelungsbranche sitzen. Diese „Bauern“ sind die Tonangeber der Bauernverbände geworden. Hier dominieren die Kenntnisse der Juristen und Manager. Der Börsenbericht ist an Stelle des Wetterberichts getreten. Es wird immer klarer getrennt: Privatleben vom Geschäft, Unternehmertum von der Politik. Man bildet sich ein, daß alles atomisiert sei und daher die Freiheit im Alleinlassen bestehe. Und dennoch ist die erfahrbare Wirklichkeit eine andere! Daher provozieren solche Menschen – ohne daß sie es wollen. Dem Gegenüber erscheinen sie im besten Fall als Zyniker. Ihre Sorge um Mensch und Land, aber auch um Staat und Gesellschaft ist eine Komponente des Privat-, jedoch nicht des Busineßlebens. Deshalb hat Agrobusineß essentiell in sich etwas Menschenverachtendes, etwas Staatsfeindliches, etwas Natur- und Bodenzerstörerisches, und somit etwas zutiefst Kulturzersetzendes.

All das sind Folgen zu großer Entfremdung (man ist nicht mehr verwurzelt im Boden oder in Dorf und Staat), fallengelassener Rücksichtnahme und einer grauenhaften Gleichmacherei (das Weltdorf – the global village – braucht nur noch eine Cola oder hybride Getreideart).

Kultur ist stets vielfältig (Agrarkultur genauso wie soziale Kultur). Wenn aus Kultur bloß noch Geschäft wird, ist das eine Verstümmelung, und die Produkte dieses Prozesses sind ebenfalls Verstümmelungen. Es erstaunt nicht, daß immer mehr von ökologischen, sozialen und psychologischen Schäden gesprochen werden muß. Einseitigkeit zerstört, auch sich selbst. Einseitigkeit ist grausam, eine Form von Folter und daher stets nahe der Verletzung von sozialen und menschlichen Rechten.

Da Agrobusineß mit Entfremdung zu tun hat, erstaunt es kaum, daß Agrobusineß nicht in Europa oder im Abendland, sondern in der Fremde verwirklicht wurde. Nach heutigen Geschichtskenntnissen sehen wir seinen Ursprung auf den Zuckerplantagen der Karibik und in Brasilien, auch in den Baumwollplantagen der US-Südstaaten. Agrobusineß entstand in Distanz, losgelöst von den eigenen Menschen und auch dem eigenen Land, der eigenen Kultur.

Ab dem 15.Jahrhundert entwickelte sich die neue landwirtschaftliche Produktionsweise: Zuckerrohr stand am Anfang. Um dieses rationale Agrobusineß kühl und klar planen zu können, brauchte es Kolonien oder fremdes, ausgelagertes Land. Die Einheimischen (Indianer) wurden vertrieben oder ausgemerzt. Nach dem großen Clearing wurden Monokulturen angebaut. Es entstand die Plantagenkultur. Hierfür wurden Fremdarbeiter oder Sklaven geholt: Mit Bauern wäre all das nicht möglich gewesen. Zum ersten Mal in der menschlichen Geschichte wurde versucht, aus der Farm eine Fabrik zu machen. Auf den Zuckerplantagen waren beide miteinander vereint. Das Aufeinanderabstimmen (Management) wurde zu einer neuen Kunst. Das mit einem ersten Wertzuwachs (added value) versehene Produkt wurde exportiert. Daraus entstand ein Dreieckshandel: Alkohol/ Ramsch/Waffen/ gegen Sklaven, die zur Zwangsarbeit auf Plantagen eingesetzt wurden, von denen der Rohrzucker nach Europa kam.

Am Beispiel der Zuckerplantagen mit den Sklaven wird der Zusammenhang von Agrobusineß und Entfremdung noch deutlicher. Agrobusineß brauchte Kolonien (Landraub), entfremdeten Boden von den traditionellen Kulturen, holte entfremdete Menschen als Bauernarbeiter und exportierte fremde Kulturen in einen fremden Kontext. Dieses Agrobusineß begann also ohne Bezug, ohne Rücksicht, ohne Wurzeln. Daß in derartigen Betrieben die Einheimischen nicht arbeiten wollten, wer verargt es ihnen? Also holte der Unternehmer statt der Indianer Schwarze aus Afrika. Aber auch im 19.Jahrhundert, zur Kolonialzeit, hatte man überall mit einheimischen Arbeitskräften Probleme: ob beim Teepflücken auf Ceylon oder bei den Arbeiten auf den Farmen, Ranchen und Plantagen in Rhodesien, Nyasaland, Kongo, Kenia, Angola oder Mozambik. Es mußten Menschen zum Arbeiten gezwungen werden. Der physische Zwang wurde sanft und schlau durch den der Steuer ersetzt. Es ist heilsam, diese Kette zu sehen, denn so geht sie weiter – bis in unsere Tage hinein. Und da ist es dann leicht, von Sachzwängen und nicht von Verletzungen von Menschenrechten zu reden.

In entwicklungspolitischen Kreisen werden Agrobusineß und transnationale Firmen sehr oft gleichgesetzt. Die vorausgegangenen Erklärungen vermögen zu zeigen, warum. Dennoch existiert ein Unterschied:

Agrobusineß ist eine Form der Handhabung von Land und Lebensmitteln, in der nicht mehr auf Grundbedürfnisse, Menschlichkeit oder Natürlichkeit, sondern nur auf Gewinnwachstum geschaut wird. Angeboten wird nicht das Notwendige, Nützliche oder Wesentliche (das sollen andere tun, denn man ist doch kein Wohltätigkeitsunternehmen!), sondern das wachstumerzeugende Produkt, das den Profit ausmacht (interessant, daß das moderne Wachstum nichts mit Natur und Mensch, sondern bloß mit Geld zu tun hat). Nachfragende können nur diejenigen sein, die Geld haben. Deshalb sind Luxus –, Prestige- und Reizgüter zentraler als Brot. Inzwischen ist diese Entfremdung weltweit, und daher wird Agrobusineß überall heimisch. In Europa wurde dieser Eingriff aufgrund des Zweiten Weltkrieges möglich. Mit den Meliorationen und dem Gesundschrumpfen hielt Agrobusineß Einzug.

Die multinationale Firma ist essentiell aus dem Kolonialismus hervorgegangen. Sie geht auf die Niederlassung oder Filiale in der Kolonie zurück. Als die Kolonien unabhängig wurden, waren die Zweigniederlassungen nicht mehr im selben Nationalstaat. Die gleiche Firma war von nun an in mehreren Ländern tätig – transnational.

Multis haben auch wesentlich mit Entfremdung zu tun: Sie wollten ja Fremde bleiben und sich nicht in den neuen Staat integrieren. Letztlich identifizieren sie sich nicht mit dem neuen Staat und somit auch nicht mit seinen Menschen. Multis sind deshalb politische Reibungsflächen, Destabilisatoren, versteckte Feinde des „nation building“. Sie mögen wohl für den Augenblick wirtschaftlich nützlich sein, aber in ihrer Distanz und Macht lähmen sie einheimische Initiativen, und das tangiert menschliche Entfaltung und Rechte. Multis sind für die Betroffenen uneinsichtig, verwirrend und daher gefährlich, weil sie die lokalen Menschen übersteigen, überfordern und jede Transparenz untergraben. Damit aber untergraben sie Demokratie, Mitbestimmung und Mitbeteiligung. Die koloniale Bedingtheit bringt es mit sich, daß Agrobusineß und Multis eng verwandt und miteinander verbunden sind. Die Entkolonialisierung auf dieser Ebene hat überhaupt noch kaum eingesetzt. So gehören zu den klassischen transnationalen Agrobusineßfirmen noch immer Unilever, Tate & Lyle, Brooke Bond (inzwischen von Unilever aufgekauft), Dalgety, Harrisons & Crosfield, Sime Darby und auch Grand Moulins de Paris oder BNS. Schon als noch unbewältigte koloniale Gebilde haben diese Multis sehr viel mit Menschenrechten zu tun. Ich bin überzeugt, daß diesem Aspekt in Zukunft von engagierten Kreisen sehr viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden muß.

Agrobusineß und Multis förderten den Gigantismus. Zu Beginn der sechziger Jahre herrschte der Wahn, alles sei mit Größe und Konzentration, mit Zentralismus und Dirigismus machbar. Diese Unternehmen halfen mit, die öffentliche Meinung zu prägen. So ist es begreiflich, daß die jungen Staaten nicht mit Kleinem und Kleinen starten wollten. Sie alle wollten Größe. An Kleinarbeit dachten die von Multis und Administrationen im kolonialen Gefüge geschulten Eliten nicht. Diese Arbeit überließen sie weiterhin den Kirchen und privaten Hilfswerken. Es zeigt, warum sich Multis und Agrobusineß leicht mit den jungen Staaten vereinen konnten.

Der Vorreiter der Größe war die Weltbank. Da diese im Entwicklungsprozeß keine anderen Partner als die Multis und das Agrobusineß fand, wurde in einer Weise entwickelt, die sich im nachhinein als ein totales Überfahren der ländlichen Menschen und der Natur erwies. Sie ermöglichte den Kolonisierten nach ihrer äußeren Befreiung keinen Weg, unten bei sich anzufangen, und so wurde die Weltbank mit ihrer Entwicklungsarbeit zur geradlinigen Fortsetzung des Kolonialismus, denn solche Größe konnte ja gar nicht von innen kommen. Alle wollten Großprojekte und haben den Gigantismus gefördert. Genauso war es in der Landwirtschaft: Ans Kleine wurde nicht mehr gedacht. Deshalb fand in Afrika nirgends eine echte Landreform statt. Die Plantagen und Farmen wurden einfach entweder verstaatlicht oder von einheimischen Neureichen übernommen. In der Landwirtschaft änderte sich äußerlich nichts. So ging etwa in Kenia, Malawi oder Zimbabwe koloniale Landwirtschaft ohne Bruch in Agrobusineß über.

Es entstanden überall große und komplexe Projekte: Großfarmen, große Stauseen mit gigantischen Bewässerungsanlagen, Großmühlen, Großbäckereien. Die Regierungen und die sie Finanzierenden träumten von grünen und weißen Revolutionen. All das konnte nur das Agrobusineß tun. Auf diese Weise überfuhr man den kleinen Bauern, aber auch das Volk: Statt sie zu animieren, wurden Volk und Bauernstand ohnmächtig gemacht. Dazu kam, daß dieser Gigantismus im Lauf der Zeit auch die Natur verachtete. Wiederum sehen wir, daß Agrobusineß Natur und Bauern schadet. Was sollte der Kleine noch tun? Er floh in die Stadt und in die Moderne. Der Kleinbauer wurde doch bloß belächelt.

All das und vieles mehr hat mit Menschenwürde und deshalb auch mit Menschenrechten zu tun. Ohne einzelne Menschen in solchen Unternehmen anzuklagen, geht es mir um den sozialethisch unzulässigen Sachzwang, den derartige Unternehmen auf Natur und Mensch ausüben. Man sollte nicht immer nur die Verletzung der Menschenrechte beklagen, ohne gleichzeitig nach den tieferen Ursachen zu bohren. Falls Größe oder bestimmte agrarische Produktionsformen wirklich entfremden, entmachten, demütigen und kaum humane oder ökologische Interventionen zulassen, darf sich der Mensch nicht einfach damit abfinden, sondern er muß als ethisches Wesen dagegen Protest erheben und zum Aufstand aufrufen, um die Landwirtschaft wieder in den Dienst sowohl des Menschen als auch der Natur zu stellen.

Den ganzen Komplex umkreisend und immer wieder auf neue Einengungen stoßend, kommen wir nochmals auf die grüne Revolution zurück. Norman Borlaug, der Züchter hybrider Weizensorten, erhielt zwar den Nobelpreis, heute jedoch wissen wir nicht, ob er nicht gleichzeitig vor ein Menschenrechtstribunal gestellt werden müßte. So komplex und so widersprüchlich ist das Ganze. Niemand zweifelt am guten Willen und an der enthusiastischen Forschungsweise eines Borlaug. Man zweifelt höchstens seit Mitte Juli 1985 ein bißchen an seinem Urteilsvermögen: Denn damals zog er von Genf aus zusammen mit dem Expräsidenten Jimmy Carter und dem japanischen Philanthropen Ryoichi Sasakawa nach Afrika, um (wie es in der 'Financial Times' vom 12. August 1985 hieß) dorthin die grüne Revolution und ('FT' am 16. August 1985) die Wissenschaft zu bringen. Glaubt er, mit kalter Wissenschaft das Hungerproblem lösen zu können? Statt dessen hätte er mindestens ein Buch wie das zur gleichen Zeit vom britischen Agronomen und Westafrikaspezialisten Paul Richards veröffentlichte Indigenous Agricultural Revolution lesen können, um zu erfahren, daß es unter Afrikas Bauern ein jahrhundertelanges und der Natur stets angepaßtes Wissen gibt. Paul Richards dokumentiert, wie zur Kolonialzeit manches in den britisch-westafrikanischen Landwirtschafts-Beratungsdiensten daneben ging, weil die Besserwisser nicht aufs Volk schauten. So hatten Westafrikaner ihre verschiedenen Arten von Baumwolle und von Reis längst selbst gezüchtet und erprobt. Weil man jedoch von Sorten aus den USA und Großbritannien, also der „zivilisierten Welt“, ausging, verursachte der „Beratungsdienst“ Katastrophen und kaum verkraftbare Verluste für die lokalen Kleinbauern. Richards vermag zu zeigen, daß es eine machtvolle Populärwissenschaft gibt. Und selbst nach so viel Schmach glaubt Richards noch, daß mit diesem reichhaltig vorhandenen Populärwissen eine „grüne Revolution von innen heraus“ möglich ist.

Borlaug oder Richards – das ist die alles entscheidende Frage. Nicht nur für die Lösung der Hungerfrage. Sie berührt auch die Würde des Menschen. Wir dürfen nicht länger blind sein und mit einer geistigen Dürre leben. Die Form der Landwirtschaft tangiert stets das Wesen des Menschen.

Und noch etwas: Technokraten gebrauchen stets das Wort „Revolution“. Diese darf grün oder weiß, aber niemals sozial sein. Auch hier wiederum wird Agrobusineß mißbraucht, um notwendige soziale Reformen, die die Würde von Menschen und Natur betreffen, zu verdrängen. Es ist ein Verbrechen, wie das Wort Revolution einerseits mißbraucht und andererseits verketzert wird.

Zu den hybriden Sorten selbst ein paar Anmerkungen: Weil diese so sehr anders als die gewöhnlichen Sorten in einem bestimmten Milieu sind, verursachen sie – dem sozialen Bereich vergleichbar – Spannungen. Hybride Sorten verlangen „egoistisch“ viel mehr Wasser, Industriedünger und Plfanzenschutzmittel. Das macht sie enorm teuer, und daher lohnt sich ein Einsatz im Kleinen nicht. Hybride Sorten helfen mit, auch ein soziales Umfeld voller Gegensätze und damit Spannungen zu kreieren. Und das soll einen Nobelpreis wert sein? Hybride Sorten sind unnatürlich (ökologische Schäden sind unvermeidbar), unmenschlich (ohne Bezug zur Geschichte, Tradition und Kultur), unsozial (sie provozieren Kontraste und schaffen Überschüsse), und damit sind sie auch unfriedlich.

Diese Form der Landwirtschaft türmt Berge von Überschüssen und menschlichen Problemen auf. Zynisch und kaltherzig geht es hier um Effizienz und Produktionssteigerung, niemals jedoch um das soziale Klima. Daher kann Agrobusineß in Zentralamerika oder auf bestimmten karibischen Inseln, aber auch in bestimmten Gegenden Brasiliens oder der Philippinen so leicht operieren. Dieses Agrobusineß braucht den lokalen Bezug ja gar nicht und damit auch letztlich die Menschen nicht. Es geht nicht mehr vom lokalen Boden oder vom Volk, auch nicht von den Bedürfnissen und den Armen aus. All das ist bloß noch Manövriermasse. In solchen Agroprozessen geht es nur um Produktions- und Profitsteigerung, nicht um Verteilung, Zuteilung, Mitteilung, Partizipation, Self-Reliance, Selbstversorgung. Deshalb sind auch bei uns – etwa in der Europäischen Gemeinschaft, aber sogar in der UdSSR, von den USA gar nicht zu reden – die Verteilungsfragen nicht mehr zu lösen. Das Agrobusineß ist wie ein Geschwür zu einem Wucherprozeß geworden. Es hat sich vom Menschen gelöst. Und wie soll nun der Mensch diesen Drachen wieder einfangen?

Al Imfeld ist Schweizer Publizist und Journalist, ein ausgewiesener Kenner Afrikas. Er schreibt vor allem über Agrarkulturen, Entwicklungspolitik und Religionen.