SPANNUNGSFELD NORD-SÜD
: Ein Meister der blockfreien Diplomatie

Mohamed Sahnoun, porträtiert  ■ VON BEATE SEEL

Der 59jährige Mohamed Sahnoun, heute diplomatischer Berater des algerischen Präsidenten Chadli Bendjedid, blickt auf eine lange und bruchlose Karriere zurück. Er ist einer der wenigen Spitzendiplomaten, die seit der Unabhängigkeit des Landes im Jahre 1962 ununterbrochen im Amt sind und den unblutigen Staatsstreich Houari Boumediennes 1965 ebenso überlebten wie die unter seinem Nachfolger Bendjedid eingeleiteten politischen Veränderungen.

Sahnoun, der 1931 in El-Asnam, dem heutigen Ech-Chlef, geboren wurde, stammt aus einer armen Familie. Seine zweisprachige Schulbildung in Arabisch und Französisch ebnete ihm den Weg für das anschließende Soziologie-Studium an der Pariser Sorbonne und später in New York. Es war eine Zeit, in der sich zahlreiche junge Araber im Ausland über die Auseinandersetzung mit europäischen Ideen dem arabischen Nationalismus zuwandten. Folgerichtig nahm Sahnoun am Befreiungskrieg gegen die französische Kolonialherrschaft teil und wurde Vorstandsmitglied des algerischen Studentenverbandes UGEMA. Nach der erkämpften Unabhängigkeit 1962 war er als Generaldirektor für politische Angelegenheiten in leitender Funktion im Außenministerium tätig. Noch unter Ben Bella und später unter Boumedienne und Bendjedid hatte Sahnoun immer wieder Spitzenpositionen inne; dabei saß er nur zu häufig zum entscheidenden Zeitpunkt an entscheidender Stelle. In den Jahren, in denen Algerien in der Blockfreien-Bewegung und unter den Ländern der Dritten Welt eine wichtige Rolle spielte, war Sahnoun wiederholt stellvertretender Generalsekretär der Organisation für Afrikanische Einheit; anschließend, im Januar 1973, wurde er Berater des Generalsekretärs der Arabischen Liga. In der Folge führte ihn sein Weg auf die Posten eines Botschafters in Bonn und in Paris, des Ständigen Vertreters Algeriens bei der UNO in New York und des Botschafters in Washington und Rabat. Namentlich an den beiden letztgenannten Etappen seiner Laufbahn zeigt sich die zentrale Rolle, die Sahnoun innerhalb der algerischen Diplomatie spielt. Seine Zeit in New York und Washington fiel zusammen mit der Intensivierung der Beziehungen zwischen Algerien und den USA, ein Prozeß, der 1979 mit den Vermittlungsbemühungen Algiers um die Freilassung der US-Geiseln im Iran begonnen hatte. Krönung dieser Entwicklung war 1985 ein offizieller Besuch Bendjedids in Washington, die erste Staatsvisite eines algerischen Präsidenten in den USA.

Die nächste Station Sahnouns, der Botschafterposten in Rabat, ging abermals mit einer Wende der Beziehungen zwischen Algerien und Marokko einher. Ein Grenzkonflikt zwischen beiden Ländern hatte 1963 gar zu einem kurzen Krieg geführt; später sorgte vor allem der Konflikt um die von Marokko annektierte Westsahara für Konflikte, da Algerien die sahrauische Befreiungsorganisation Polisario unterstützte. Im Jahre 1987 kam schließlich ein vom saudiarabischen König Fahd vermitteltes algerisch-marokkanisches Gipfeltreffen zustande.

Sahnoun, der der Generation der algerischen Revolutionäre angehört, ist Vater von zwei Kindern und lebt heute getrennt von seiner Frau, einer Ärztin, in Algier. Er ist weniger ein Mann der großen Worte und hält sich bei den Auseinandersetzungen innerhalb der Regierungspartei FLN eher am Rande.

Seine Rolle in der Politik seines Landes sollte schon deshalb nicht unterschätzt werden, weil Algerien auf diplomatischem Gebiet häufig eine besondere Rolle gespielt hat. Darunter fallen nicht nur die Bemühungen um die Geiseln in der Teheraner US- Botschaft, sondern zahlreiche weitere Vermittlungsinitiativen, beispielsweise zwischen dem Tschad und Libyen, dem Golfkrieg zwischen Iran und Irak, den verschiedenen Fraktionen der PLO oder auch die Bemühungen um die Beilegung des Lagerkrieges gegen die Palästinenser im Libanon.

Beate Seel ist taz-Redakteurin und hat mehrere Jahre das Fachgebiet „Naher Osten“ betreut.